Manchmal sind diese Nachrichten, die einem im Netz vor die Füße geworfen werden, ja sehr aufschlussreich. Manchmal aber schwierig umzusetzen.
So lese ich z.B. neben der Mitteilung, dass mein Sternzeichen sich diese Woche (bis Donnerstag!) schwerstens verlieben wird, auch, welche Voraussetzungen es für eine gelungene Partnerschaft braucht.
Frau solle, lese ich, halb so alt sein wie der Mann plus sieben Jahre.
Jaja, denke ich, mit 20 war das noch einfach. Er 33 war zu verkraften.
Mit 30 ging das auch noch: Die Männer Anfang Vierzig sind ja heute auch nicht mehr das, was sie in meiner Elterngeneration waren.
Und, nein, ich werde das jetzt nicht auf jedes neue Jahrzehnt hochrechnen. Meine Leser sind ja schon groß.
Aber ich komme nicht umhin, das nach heutigen Maßstäben durchzurechnen und finde nun die Erklärung für mein Single-Dasein.
Nämlich, dieser rechnerischen Logik zufolge müsste mein Mann, also der für mich richtige Mann 116 Jahre alt sein. Was ansich schon bewundernswert wäre, weil … finde mal so einen Kerl. Selbst Johannes Heesters, ein wirklich schöner und bis ins hohe Alter sehr charmanter Mann hat es nur bis 108 geschafft. Und das bei guter Pflege.
Nicht, dass ich jetzt in Verzweiflung ausbreche.
Eher in Zweifel, ob dieser ganze Schmonzes, den man so liest und hört, so wirklich und bis zum Ende durchdacht ist.
So gern wir uns in dieser modernen Welt bewegen, so sehr wir jeden Fortschritt genießen und keinesfalls wieder in die Steinzeit zurück wollen, hindert es uns nicht daran, im Rückblick die Fehler von Forschern zu konstatieren und kritisieren.
Dass Forscher oft sehr gut selbst wissen, wie sehr ihre Forschungen die Grenzen der Ethik überschreiten, beweist der Umstand, dass Peter Neubauer die Ergebnisse seiner Zwillings-/Drillingsforschung bis ins Jahr 2065 der Einsicht entziehen ließ. Zu diesem Zeitpunkt wird keiner der Beteiligten mehr am Leben sein.
Wahrscheinlich hätte die Welt von diesen Forschungen gar nicht erfahren, wäre nicht eines Tages ( 1980) Robert (geb.1961) an seiner neuen Schule gar zu enthusiastisch von seinen neuen Mitschüler begrüßt worden. Er erfuhr, dass er aufs Haar dem im letzten Jahr abgegangenen Eddi glich. Die beiden trafen sich und erkannten, dass sie Zwillinge waren. Eine Lokalzeitung interessierte sich für sie und brachte die Geschichte mit Bild, woraufhin David, als Dritter, sich zu ihnen gesellte.
Erst war die Begeisterung, sich gefunden zu haben, das große mediale Interesse, Auftritte in Fernsehshows, sogar ein Auftritt in einem Madonna-Film. Die drei eröffneten gemeinsam ein Restaurant.
Aber dann kamen die Fragen:
Warum hatten sie nicht voneinander gewusst?
Warum waren sie getrennt adoptiert worden?
Ihre Nachforschungen ergaben zunächst, dass die Adoptionsagentur sich vermeintlich einen leichteren Adoptionsprozess von der getrennten Adoption versprach. Es sei dort Prinzip gewesen, Mehrlinge getrennt zu vergeben.
Erst später stellte sich heraus, dass an die Adoption die Bedingung geknüpft war, die Entwicklung der Kinder im Laufe der Jahre zu beobachten. Es fanden sich Filmaufnahmen von diesen „Interviews“ und Tests auf kognitives und körperliches Leistungsvermögen. Und es stellte sich heraus, dass die Vergabe der Kinder in sehr verschiedene Milieus durchaus Absicht gewesen war.
Die Kinder waren Objekte einer sogenannten Anlage-Umwelt-Studie. Ein Thema, das die Psychologie schon seit sehr langer Zeit interessiert: Was genau steckt uns in den Genen und was ist anerzogen? Und schon lange ist klar, dass eineiige Mehrlinge mit identischem Erbgut der Schlüssel zu diesen Erkenntnissen sind.
Und je mehr sie der Sache nachforschten, umso mehr machte es ihnen zu Schaffen, dass ihr Leben ganz anders hätte gewesen sein können, wären sie zusammen aufgewachsen.
Es gab vergleichbare Studien, in denen gemeinsam oder auch zufällig getrennt aufgewachsene Mehrlinge und ihre Eltern hauptsächlich erst retrospektiv befragt wurden. Aber da wurde mit offenen Karten gespielt und bekannt gegeben, dass es sich um eine Studie handelt, und natürlich die Teilnahme frei gestellt.
Und es gab Mengele, der niemanden fragte und alle ethischen Begriffe über Bord warf.
Und es gab diese jüdische Adoptionsagentur, die bewusst mit Neubauer und seinen Kollegen zusammen arbeitete.
Also drei, drei Dimensionen. Was ja eigentlich total einfach sein sollte. Länge, Breite, Höhe.
Ich erinnere mich, dass ich irgendwann einmal einen IQ-Test gemacht habe. Im Internet. Seriös, lautete die Bewertung. Aber vielleicht war meine Herangehensweise nicht vollkommen seriös. Daneben stand eine Weinflasche. Und ich erinnere mich, dass ich – so nach ein, zwei, vielleicht auch drei Gläsern Wein – den Test im mathematisch-geometrischen Segment mehr intuitiv gelöst habe. Vielleicht muss das so sein.
Und sowieso war mir klar, dass ich kein Mensa-Kandidat bin und mit den erreichten 120 ziemlich zufrieden sein kann.
Vielleicht hätte ich diese 120 gar nicht erreicht so ohne Wein und Intuition.
Jedenfalls habe ich an mir gezweifelt, als ich diesen sehr vollkommenen Halbmond sah, der mir verriet, wo genau jetzt eben die Sonne steht.
Mich verwirrte, dass die Sonne irgendwo halb unten steht. Wo doch jeder weiß, dass die Planeten sich auf einer Scheibe bewegen. Rotation und so weiter.
Und da stand ich also, hatte meine Faust geballt (das sollte die Erde sein), der Mond stand irgendwie halb oben und die Sonne wäre in diesem Modell halb unten gewesen. Ich hob meinen Ellenbogen, der für die Sonne stand, und mir wurde klar, dass mein Standort auf der Erde …
Sie verstehen schon.
Und das sind nur drei(!) Dimensionen!
Ich meine, wir reden jetzt nicht von einem Möbelstück und seinen Maßen. Vielmehr reden wir vom freien Raum und sich bewegenden Körpern.
Wie viele Fragen sich in diesem Zusammenhang außerdem für mich auftun, verschweige ich dem geneigten Leser tunlichst. Und schon gar nicht möchte ich einen Gedanken daran verschwenden, was Schwerkraft und die vierte Dimension (Zeit) mit all dem tun.
Ich tröste mich damit (und darauf beharre ich), dass Menschen mit einem IQ von 120 sicher ganz ok. sind, aber nicht die Problemlöser dieser Welt. Wobei ich nicht weiß, wer von den Entscheidern auf dieser Welt über oder unter diesem Level ist.
Es gibt Leute, die mit dem Brustton der Bewunderung behaupten, ich sei ja sooo kreativ. Was erst einmal nichts zu bedeuten hat.
Sie bekommen immer nur die Dinge zu sehen, die auch gelungen sind. Die Fehlversuche sehen sie nicht.
Es fängt immer damit an, dass ich eine Idee habe, gerne beim Anschauen von irgendwas, von dem ich meine, das ich das (oder etwas Ähnliches) auch kann und haben/ machen wollen würde.
Und dann sitze ich da, was von außen vermutlich ziemlich faul aussieht, und überlege mir, WIE das zu machen ist.
Und irgendwann, so noch nicht vorhanden, bestelle ich mir die „Zutaten“ und lege los, um festzustellen, dass die Sache dann eben doch nicht so einfach ist. Ich mache es so. Und dann wieder anders. Und, sofern möglich, mache ich es wieder rückgängig, um noch einmal von vorn anzufangen.
Auf diese Weise kam ich zu allerhand Malerzubehör, Nähzeugs und neuerdings zu jeder Menge Wolle und Garn. Ich dürfte keine kleinere Wohnung haben als eben diese 83 qm, die für mich allein natürlich viel zu viel sind. Aber das ist halt der Luxus, den ich mir auf meine alten Tage gönne.
Immerhin hat das den Vorteil, dass dann, wenn eine Idee so ausgereift ist, dass ich nun und sofort anfangen möchte, alles – wenigstens beinahe – da und bereit ist.
Dass ich nun und seit einiger Zeit schon am Handarbeiten bin, ist keineswegs profan, sondern allenfalls eine Herausforderung an meine Geduld, die nicht besonders groß ist. (Schon bei der Malerei staunte ich und verwarf es für mich, dass es Bilder gibt, die wirklich und wahrhaftig um die hundert Stunden in Anspruch nehmen. Da werden Schichten über Schichten gemalt. Und immer wieder muss es trocknen und all das.)
Ich schätze, während all dieser Wartezeiten, wären meine Gedanken längst woanders.
Umso erstaunlicher ist es, wie lange ich nun schon mit Nadeln und Garnen zugange bin.
Als ich neulich meine vom frisch gebuchten Griechenland-Urlaub begeisterte Tochter besuchte, war klar, dass sie eines von diesen wahnsinnig schicken und individuellen Häkelkleidern mitnehmen würden. Handmade von Mama. Ich hatte mich schon dran gesetzt als sie mir telefonisch von ihrem Urlaub Kunde tat.
Leider, als ich sie beim Besuch vermaß, hatte sie einiges an Gewicht zugelegt bzw. sich selbst in ihren Maßen unterschätzt. Erst glaubte ich, diese „paar Zentimeter“ würden sich schon zurechtziehen. Als dann aber die Schneiderpuppe kam, die ich sogleich auf ihre Maße einstellte, sah ich das Desaster. Kind würde sich wohl in das Dingens hineinquälen können, ganz sicher aber nicht so toll aussehen wie die Damen die ich mir im Netz zuvor betrachtet hatte.
Das weiße und zu enge Kleid liegt noch da. Beinahe fertig, aber vermutlich enttäuschend, wenn die Anprobe stattfindet.
Aber da war ja noch dieses andere Garn. Eine Mischung aus rosa und lachs. Sieht sicherlich toll aus auf brauner Haut.
Der Rock wird jetzt deutlich weiter, aber nicht zu weit.
Und wenn das Garn nicht reicht für ein ganzes Kleid, kann ich ja noch mit dem Weiß arbeiten.
Als ich 15 war, hatte ich eine ganz neue Freundin, die in unserer Klasse ihre „Ehrenrunde“ drehte. Sie war nicht dumm, im Gegenteil, kam aber aus schwierigen Verhältnissen, was sich u.a. darin zeigte, dass sie im Alter von 16 Jahren mit einem doppelt so alten Mann zusammen lebte, ohne dass ihre Familie dies angefochten hätte.
Ich denke, sie wurde vielmehr von diesem Mann, der aus heutiger Sicht eher positiv auf sie wirkte, in vielerlei Hinsicht inspiriert, halt bloß nicht in Sachen Schule. Sie liebte Hölderlin, von dem ich bis dahin nie etwas gehört hatte, und hörte auch Musik, die ich bis dahin nicht kannte. Musik, die sie wahrscheinlich von ihm kannte, denn unsere Jahrgänge hatten das nicht mehr erlebt.
So lernte ich Jannis Joplin kennen.
Wir hörten sie in dieser Wohnung, die sie mit ihrem Gefährten bewohnte, und die – aus heutiger Sicht- sehr etwas von einer dieser Wohnungen hatte, die man gemeinhin mit Drogensüchtigen in Zusammenhang bringt. Da lag eine Matratze auf dem Boden und war auch sonst nicht viel Mobiliar. Sie erklärte, dass die Wohnung im Umbau sei und deswegen alles so aussah, wie es aussah. Halt bloß, dass ich im Laufe der Zeit kaum eine Veränderung im Sinne eines Fortschritts sah.
Ich selbst wohnte nahe der Schule. Und manchmal schwänzten wir ein oder zwei Stunden, gingen zu mir und nutzten die Zeit für ein Bad. Denn im Gegensatz zu ihr hatten wir eines. Während sie in der Wanne saß, saß ich daneben auf dem Klo und staunte, wie entwickelt sie doch war. Im Gegensatz zu mir, die ich alles an mir noch kindlich fand. Und währenddessen redete sie von all diesen Dingen, die meinen damaligen Horizont weit überstiegen.
Nachdem wir die Schule abgeschlossen hatten, traf ich sie nicht wieder.
Einmal noch hatte ich mit ihr zu tun. Das war uns beiden peinlich, weil – so wurde mir klar – wir nicht wirklich Freundinnen gewesen waren. Sie hatte sich immer nur durchgeschlagen, durchschlagen müssen. Sie hatten inzwischen diesen Mann geheiratet, eine Ausbildung als Fotografin begonnen und ich brauchte Passbilder. Vermutlich war es ihr peinlich, dass aus ihren hochfahrenden Träumen nichts geworden war. Den ganzen Tag Passbilder machen deckte sich so gar nicht mir ihren künstlerischen Ambitionen. Auch war sie fett geworden, was ihrem durchaus harmonischen Aussehen abträglich war. Später hörte ich noch, sie sei geschieden. Was damals nichts Besonderes war. Irgendwann, wenn wir sehr jung geheiratet haben, erkennen wir, dass da noch mehr geht.
Wer weiß, vielleicht hat sie ihren Ambitionen doch noch irgendwie folgen können? Ich würde es ihr wünschen.
Aber Jannis Joplin, die ich immer mit diesen keineswegs nur negativen Erinnerungen in Zusammenhang brachte, wurde mir von dieser neuen Dior-Werbung kaputt gemacht. Ich mag Natalie Portman, aber nicht zwei Mal in der Stunde. Und dass ihre Dior-Werbung Jannis Joplin zitiert, hasse ich.
Ich bin im Gespräch mit meinem Mentor, der mir erklärt, wie ich am Besten durch die Aufnahmeprüfung komme. Obwohl es sich um eine Kunstschule handelt, ertappe ich mich dabei, wie ich in Formulierungen schwelge, die eher für Literatur sprächen.
Dass ich bereits in mein luxuriöses Zwei-Zimmer-Studentenquartier mit Balkon, der einen Blick auf den Schlossgraben hat, bezogen habe, spricht dafür, dass die Prüfung nur eine Formalie ist. Man lässt doch niemanden bereits einziehen, der noch nicht aufgenommen ist.
Voller Glücksgefühl führe ich einen Freund, vorbei an einer Art Büro mit in der Runde angeordneten Empfangstischen, zu meinem Quartier.
Als ich kurz wach werde, drehe ich mich wieder um in der Hoffnung, dass der Traum weiter geht.
Ich stehe vor einer Staffelei und habe ein ziemlich fertiges Bild vor mir. Eines von der Art, wie ich es noch nie zuwege brachte.
Ich wache auf mit ziemlich genauen Vorstellungen, wie die Sache zu machen ist. Ich lache. Das tat ich schon lange nicht mehr: Wach werden und lachen. Damals, als ich noch regelmäßig malte, passierte mir das öfter.
Das ist schon drei Stunden her. Aber das Bild habe ich noch immer vor Augen.
Statt zu malen, bin ich jedoch dabei ein Brot zu backen, weil ich keine Lust habe, in die Kälte zu gehen.
So oder so, denke ich mir: Es ist schön, immer Ferien zu haben.
Als ich neu ins Netz kam (1999), hatte ich sehr schnell die dortigen Rechtschreibregeln verinnerlicht und für gut befunden:
Die Kommunikation so von „User“ zu User findet via Kleinschreibung statt.
Nur Texte, z.B. Blogs, werden weiterhin nach den herkömmlichen Regeln geschrieben.
Eine Tücke gabs dann noch nach der neuen Rechtschreibung. Die beherrschte und beherrsche ich bis zum heutigen Tage nicht wirklich. Weil es aber den anderen nicht anders geht, gabs da wenig zu mäkeln. Eine Zeit lang und z.T. bis heute macht/e da jeder so ein bisschen, was er für richtig befand. (Hätte jetzt dieses „Jeder“ groß geschrieben werden müssen?)
Ich weiß nicht, ob ich mit Erstzugriff 1999 zu den Pionieren des Netzes gehöre. Vermutlich eher nicht. Dennoch machte ich weit jenseits der 2000er die Beobachtung, dass die Menge der Neuzugänge im Netz die alten Regeln nicht mehr beherrschte. Gerne klagten sie über die Kleinschreibung in den Kommentaren und nahmen sie – besonders bei Streitgesprächen – als Argument für den Mangel an Bildung. Wohingegen ich ja der Meinung bin, dass es weniger Mangel als Ausdruck von Bildung ist, sich einem neuen Milieu anpassen zu können.
Aber egal. Da waren sie nun die Großschreibexperten und schrieben mit einem Mal (aber vielleicht taten sie persönlich das immer schon so) alles groß, was ihnen unter die Finger kam: Verben(Tuwörter) und Adjektive(Eigenschaftswörter) inklusive. Dabei ist es Schulstoff der ersten Klassen, dass und wann die Dinge klein und groß geschrieben werden. Verben und Adjektive jedenfalls klein. Es sei denn, wir reden von Substantivierungen, also der Hauptwortbildung aus einem Verb oder Adjektiv. Hatten die Schreiber, die ja doch selbst so sehr auf Groß- und Kleinschreibung beharren, zu viele von diesen Substantivierungen gesehen?
Und dennoch (auch das hatten wir ja sehr früh gelernt) ist es ein Unterschied, ob meine Freunde lachen oder ich jemandes Lachen schön finde, ob ich ein paar rote Schuhe trage oder die Farbe Rot am meisten mag. Hier besteht (wie übrigens auch beim „das“ oder „dass“) der Unterschied darin, ob ein „der,die,das“ (dieses, jenes, welches) dazu passt oder nicht.
Die neue Rechtschreibung beschenkte uns übrigens auch mit dem Wegfall etlicher Kommata (über die Mehrzahlbildung bei Worten fremdsprachiger Herkunft reden wir ein anderes Mal; bei manchen Dingen ist die Einzahl auch durchaus verzichtbar, denn wer z.B. begnügt sich mit nur einem Spaghetto?), was jedoch nicht gleichbedeutend damit ist, dass nun keinerlei Kommas mehr gesetzt werden. Auch wenn man bei manchen Schreibern diesen Eindruck gewinnen könnte. Schließlich hat so ein Komma ja doch sehr einen Sinn. Manches nicht gesetzte Komma führt zu arger Verwirrung, manches falsch gesetzte auch.
„Der Mann sagt, die Frau ist das schwächere Geschlecht.“
„Der Mann, sagt die Frau, ist das schwächere Geschlecht.“
Kommas sind also kein Snobismus oder Luxus, sondern eine Notwendigkeit, die sich in der langen Entwicklung unserer Sprache als äußerst nützlich erwiesen haben.
Es kann schon sein, dass ich, die gerne Sätze mit einem Semikolon teile, Züge von Snobismus habe, aber jedenfalls ist ein Semikolon besser als gar kein Satzzeichen und durchgängige Kleinschreibung in Kommentaren finde ich dann immer noch besser als falsche Großschreibung.
Denn merke: nicht alles, was mir die Autokorrektur vorschlägt, entspricht dem, was ich sagen wollte.
Morgen fahre ich zu meiner Tochter. Die wohnt so ca. 50 km entfernt, was in Zugfahrzeit ziemlich genau eine Stunde ist. Ich werde nach letzten Erkenntnissen dafür irgendwas zwischen 12 und 15 Euro hinblättern müssen.
Damals, als ich herzog, kostete die etwas längere Strecke zu unserem alten Wohnort 10 DM. Das ist jetzt wenig über 20 Jahre her. Grob kalkuliert zahle ich also inzwischen für eine kürzere Strecke ca. ein Viertel mehr als das Doppelte.
Das nur als Ausgangspunkt.
Gerade eben sehe ich eine Serie, in der der Vater in Los Angeles wohnt und die Tochter in Vegas. Tochter reißt aus und fährt mit dem Bus nach L.A.
Weil meine Kinder sich eine solche Flucht bei den hiesigen Preisen gar nicht hätten leisten können, habe ich mal nach den Preisen dort geschaut und gefunden:
Aber nein, machen wir die Fakten vollständig: L.A. und Vegas liegen ca. 370 km auseinander.
Es gibt Busverbindungen (Kind aus der Serie hat natürlich diese gewählt), die ca. 5 ein viertel Stunden dauern und knapp 16 Dollar kosten.
Und es gibt eine Flugverbindung ( ein und eine viertel Stunde lang), die im billigsten Preis 39 Dollar kostet.
Auch wenn Euro und Dollar nicht genau gleich viel wert sind, unterstelle ich das jetzt einmal, weil es darauf nun auch nicht mehr ankommt.
Das Kind aus Vegas hätte also bei hiesigen Preisen knapp 100 Dollar zahlen müssen und wäre vielleicht daheim geblieben.
Was schließen wir daraus?
Öffentliche Verkehrsmittel hierzulande sind Sch… ähh, schlecht?
Die Bahn hätte besser nicht teilprivatisiert werden sollen?
Es ist prima, in einem Land zu leben, in dem Bohrtürme an Bohrtürme stehen und keiner Angst vor Fracking hat?
Oder: es ist Sch…, ähh … blöd, in einem Land zu leben, in dem es kein Öl gibt und Fracking so schwierig ist?
Von meinem Küchenbalkon aus kann ich seine Spitze sehen. Ein toter Baum zwischen zwei bewohnten Grundstücken, sozusagen auf einem Stück Niemandsland. Was der Grund sein mag, dass noch niemand ihn gefällt hat.
Er ist nicht wirklich tot, sondern bewohnt von einer Schar aus hunderten Krähen. Die fliegen ihn jeden Abend mit lauten Gekreische zur Nachtruhe an. Und am Morgen fliegen sie wieder auf.
Die Krähen sind wie eine Jahreszeitenuhr. Vor ein paar Wochen noch kamen sie schon nachmittags um Vier, jetzt wird es schon halb Sechs. Und auch morgens merkt man den Unterschied: aus um Acht wurde halb Acht.
Ich denke mir, wenn ich nicht sehen, sondern nur hören könnte, wüsste ich dank dieser Krähen doch um den Lauf der Tage und Jahreszeiten. Den Gedanken finde ich tröstlich.
Zu Beginn des Jahrtausends oder Jahrhunderts oder … na, egal. Jedenfalls damals sah ich einen Bericht über den Klimawandel. Anstieg des Meeresspiegels und so. Sie wissen schon.
Am meisten gefährdet, erfuhr ich, sei eine Inselgruppe im pazifischen Ozean, deren höchster Punkt lediglich 5 Meter über dem Meeresspiegel läge: Tuvalu.
Wie wir alle wissen, sind Dinge, die rar oder ganz verschwunden sind, unheimlich wertvoll. Da sollte der Anleger zugreifen.
Allerdings kann man so eine Inselgruppe ja nicht kaufen. Und wenn, hätte ich es mir nicht leisten können. Also buk ich kleine Brötchen und kaufte mir Briefmarken von Tuvalu.
Natürlich war ich mir bewusst, dass das keine Geldanlage ist, die heute oder morgen Früchte trägt. Deswegen legte ich meinem Sohn nahe, dass diese Briefmarken, die ich wohlweislich im Geldordner ablegte, einmal viel wert sein würden und keinesfalls weggeworfen werden dürften.
Alle paar Jahre (nicht, dass ich Jemandem etwas Schlechtes wünsche) interessiere ich mich für das Wohlergehen der Inseln.
Und musste nun erfahren, dass diese nicht nur nicht am Untergehen sind, sondern größer werden, weil – keine Ahnung, wie und warum – dort Sedimente angespült werden, woran auch die vielen Wirbelstürme nichts ändern.
Der Untergang der Inselgruppe ist im Zusammenhang mit dem noch nicht abgesagten Meeresspiegelanstieg nunmehr auf das Jahr 2100 vertagt, so dass weder ich, noch meine Kinder etwas von der potentiellen Geldanlage haben werden. Auch mein Enkel (Jg.2006) wird in seinem bis dahin stattlichen Alter nicht wirklich viel mit den beträchtlichen Erlösen meiner weisichtigen Geldanlage anzufangen wissen.
So geht die Hoffnung in Richtung meiner Urenkel und deren Kinder, die der bis dahin längst vergessenen Urahnin, so hoffe ich, dann noch einmal gedenken werden. (Wenn nicht isses auch wuascht.)
Merke: Aus dem Unglück anderer Profit schlagen zu wollen, ist nicht nur unmoralisch, sondern klappt nur bei denen, die darin Übung haben.
PS:
Natürlich machte sich auch die Regierung von Tuvalu Gedanken um ihre Bevölkerung und beantragte vorsorglich in Neuseeland und Australien Asyl, was von dort abgelehnt wurde. Im Jahr 2014 wurde durch das Einwanderungstribunal Neuseelands erstmalig der Klimawandel als Einwanderungsgrund berücksichtigt und einer 4-köpfigen Familie Asyl gewährt.
Ich schätze, bis zum Jahr 2100 kann man seine Meinung noch ein paar Mal ändern, wenngleich ein Bevölkerungszuwachs von etwas über 10 000 Menschen sicherlich verkraftbar wäre.