Tückisches Ding!

Sie lächelt auf einnehmende Weise zu uns nach oben. Denn jeder von uns Anfängern ist größer als sie, was mich betreffend schon sehr merkwürdig ist. Denn normaler Weise ist so ziemlich jeder größer als ich.  Was aber nichts daran ändert, dass die Anfänger wir sind. Ein bisschen unsicher jeder von uns und mehr oder weniger ungelenk.

Sie zeigt uns die Zubehör und führt uns vor, was wir zu tun haben. Mehr oder weniger geschickt tun wir es ihr nach. Dazu spielt die Musik, die sie vorsorglich mitgebracht hat. Ich selbst finde das ja störend. Umbastampf ist nicht so meins. Es beflügelt mich nicht im Mindesten.

Aber gutwillig tue ich mit. Ich habe es mir schließlich ausgesucht und bin ja auch vom Nutzen überzeugt.

Nach der Hälfte der Zeit ordnet sie sogar an, dass wir nun von dem Wasser trinken sollen (wenn wir mögen), das jeder von uns der Empfehlung bei der Anmeldung folgend mitgebracht hat. Wir sind, obwohl da vorab gar nicht so viele Worte fielen, ziemlich gut vorbereitet. Wenn auch nicht auf die Sache selbst. Die ich ziemlich überraschend finde. Ich hatte es mir einfacher vorgestellt. Schließlich wusste ich von früheren ähnlichen Anlässen her, dass es gar nicht so schlimm ist.

Nicht, dass ich es jetzt wirklich schlimm fände, aber doch anstrengender als gedacht.

Zwischendurch merke ich immer mal wieder, wie mir die Hose am verschwitzten Hintern klebt. Und da schwitze ich eigentlich recht selten.

Bis zum Schluss ungebrochene Zuversicht ausstrahlend, bringt sie es nach einer guten dreiviertel Stunde schließlich zu einem Ende.

Während ich mich umziehe, denke ich: „Tückisches kleines Ding!“.

Wer denkt sich denn, dass 45 Minuten Reha-Sport mit Matte und einem harmlos aussehenden Gymnastikball einen so auspowern können. Und da weiß ich noch gar nichts davon, dass es nicht einmal zwei Stunden brauchen wird bis ich jeden, aber wirklich jeden Muskel in meinem Körper spüren werde.

 

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Oben ansetzen, nach unten durchziehen.
Ansetzen, durchziehen.
Wasser.

Oben, unten.
Alois ist fertig mit dem Bart kämmen.

 

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Im Schlafzimmer auf der zweiten, unberührten Betthälfte liegt seine Kleidung für den Tag.
Zum Schluss noch den Binder vor dem Spiegel zurecht rücken. Fertig.
„Du musst auf dich achten.“, hört er Marie-Luises Stimme. „Immer. Auf meine Liebe kannst du dich verlassen. Ich mag dich auch mit verstrubbelten Haaren und im Schlafanzug. Aber die anderen sehen nur, was sie sehen.“
Als Alois vom Bäcker zurück kommt, legt er die Brötchen achtsam, beinahe liebevoll in die Holzschale. Während das Kaffeewasser durch den Filter tropft, deckt er den Tisch.
Beim Frühstück sieht Alois, wie sich draußen der allzu frühe Herbstnebel aufzulösen beginnt. Ein erster Sonnenstrahl glitzert auf den feuchten Blättern des knorrigen Apfelbaums.
„Der Tag kann gut werden.“, denkt Alois. Er stellt das Geschirr neben die Spüle, Butter und Marmelade in den Kühlschrank. Noch die Krümel mit der hohlen Hand vom Tisch wischen, in den Mülleimer schütteln. Dann macht er sich auf zum Zeitungskiosk.
Natürlich wäre es einfacher, ein Abonnement zu haben, nur zum Briefkasten gehen zu müssen, die Zeitung gleich am Frühstückstisch zu haben. Aber, das weiß Alois, dann liefe er Gefahr, bis zum Mittag dort sitzen zu bleiben. Der nächste Schritt wäre, sich Toastbrot oder Aufbackbrötchen zu kaufen. Gar nicht mehr aus dem Haus zu müssen. Gleich im Schlafanzug zu bleiben.
„Wir müssen in Bewegung bleiben.“, hatte Marie-Luise gesagt. Sie hatte „WIR“ gesagt, aber ihn gemeint. Denn ihr eigener Radius war da schon sehr eingeschränkt durch die Krankheit.
Die Zeitung unterm Arm steht Alois auf der Brücke über dem kleinen Flüsschen und beobachtet die Enten. Später, wenn die feuchten Bänke abgetrocknet sind, wird er sich einen Platz in der Sonne suchen und seine Zeitung lesen.
Alois greift in die Tasche, klappt die Brieftasche auf, betrachtet das Bild von Marie-Luise. Da war sie dreiundfünfzig, aber faltenfrei wie eine Dreißigjährige. Das linke Auge ist zum Zwinkern zusammen gekniffen und der Mund deutet ein Lächeln an.
„Lass uns ein paar Schritte gehen.“, sagt er. Und geht los.

 

Gespaltene Gefühle

Ich bin eine Frau. Und als solche zweifle ich zuweilen, eigentlich immer öfter, was ich zu tun, zu denken und wie ich mich zu verhalten und zu positionieren habe.

Ich erinnere mich:

Vor einer Reihe von Jahrzehnten hatte ich einen Chef, nur wenige Jahre älter als ich, der eines Tages auf die Idee kam, Kaffee trinken zu wollen. Außerhalb der Kantinen-Öffnungszeiten. Und weil er Chef war,  rief er oben an und kündigte einen „blauen Schmetterling“ (ich trug an diesem Tag ein blaues Kleid) an, der ihm seinen Kaffee holen würde. Ich widersprach, weil ich zum Kaffeeholen nicht eingestellt war. Und sein Argument, dass seine Arbeitszeit mehr wert sei als meine, lief bei mir ins Leere. Er holte seinen Kaffee schließlich selbst.

Kurzum, ich war schon immer streitbar, wenn jemand (das konnten auch Frauen sein) mich auf irgendwelches weibliche Rollenverhalten festlegen wollte. Auch schon in sehr jungen Jahren.

Und ich war mir auch immer schon dessen bewusst, dass Frauen wie ich es vielleicht ein bisschen schwerer hatten, aber dafür gradlinig ihren Weg gingen. Ich wusste auch, dass ich es einfacher hätte haben können. Ohne diese Vorsätze. Es gab schließlich immer auch die anderen, die keine solchen Vorsätze hatten, und schneller voran kamen. Weil eben meist Männer die Chefs waren.  Und weil männliche Chefs ab einem bestimmten Punkt … nicht mehr rational entscheiden? (Aber vielleicht hat so etwas gar nicht so viel mit Sex zu tun. Vielleicht geht es einfach um Eitelkeit? Frauen, die Männer anzuhimmeln scheinen, wecken außer Begehrlichkeiten auch die Eitelkeit. Im Zweifelsfall brächten unterwürfige Männer das auch fertig. So oder so mögen Chefs Untergebene, die ihren Meinungen folgen, ob nun unterwürfig oder scheinbar einsichtig.)

Als Metoo in die Welt kam, wurde mir, ebenso wie vielen anderen Frauen, manches bewusst, das ich irgendwann früher als beinahe normal wahrgenommen hatte. Männer SIND eben so, dachte ich womöglich irgendwann. Wären die Gefühle, die ich mit manchem von diesem So-Sein verband, so unangenehm wie auch immer gewesen.  Und dennoch konnte ich aus meinem Leben nichts erinnern, was deutlich schlimmer gewesen wäre als diese Kaffee-Geschichte.

Metoo holte Frauen aus ihren Löchern, die deutlich Schlimmeres erlebt hatten als ich.  Was ich bedaure. Gleichwohl war in meinem Hinterkopf immer die Frage, ob diese Frauen mit den schlimmeren Erlebnissen nicht schon vorher die falschen Signale gesetzt hatten. Hatten sie nicht mehrfach Empfindungen von Unwohlsein weg gelächelt und damit signalisiert, dass das, was dieser Kerl da macht, vollkommen in Ordnung sei? Hatten sie nicht auf diese Weise zu weiteren Steigerungen der Unverschämtheit ermuntert?

Ich weiß es wirklich nicht. Ich war nie eine von diesen lieblichen Frauen, die Grenzüberschreitungen, seien sie so klein wie auch immer, je hingenommen hätten. Die Kerle wussten bei mir sehr schnell, was geht und was eben nicht. Und haben sich dran gehalten. Ich war nie in der Situation, dass ich „NEIN!“ hätte sagen müssen, denn mein „nein“ war auch unausgesprochen klar genug.

Und deswegen habe ich zuweilen Mitgefühl, wenn Männer voller Unverständnis vor Anschuldigungen stehen und nicht den Hauch einer Ahnung haben, was sie verkehrt gemacht haben. (Womit ich nicht von jenen rede, die in irgendwelchen Hotelzimmern kraft ihres beruflichen Einflusses Frauen vergewaltigt haben.) Und das passiert heute, da Frauen (endlich, möchte man sagen) eine Stimme haben, viel öfter als je zuvor.

Wie soll so ein Mann sich auskennen, wenn die eine Frau es gar nicht schlimm, vielleicht sogar als eine Art Kompliment empfindet, wenn sie einen Klaps auf den Po kriegt, und die andere das als höchst übergriffig ansieht? Was soll so ein Mann glauben, wenn eine Frau , die sich vorher alles(!) klaglos, wenn nicht gar wonniglich stöhnend, gefallen ließ, plötzlich „NEIN!“ sagt? Denn so eine Frau darf das. Weil alles andere Gewalt wäre.

Hat die nicht vorher drüber nachgedacht, was sie da tut? Was dachte die denn, was passieren würde so ohne Klamotten und mit seiner Zunge überall?

Und was (nur so als Gedankenspiel) würde sie denken und tun, wenn plötzlich er „NEIN“ sagt, auch wenn ihr das gar nicht Recht, aber doch sein Recht genauso wie das ihre wäre?

Die Zeiten sind schwierig, denke ich mir. Es gibt Machos (Erzeuger) und Beta-Männchen (Väter). Und dass die einen womöglich mehr Geld haben als die anderen sollte kein Argument sein. Wir sollten uns überlegen, was wir wollen. Und sollten auch darüber reden. Ganz ehrlich auch mit uns selbst.

Was dann die Männer daraus machen, ist deren Sache.

Aber nie, finde ich, niemals, sollten wir andere dafür verantwortlich machen, was wir irgendwann fehl einschätzten. Denn wir (Frauen) haben viel mehr in der Hand, als wir zugeben möchten.

 

Voll gebacken, eij!

Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, ohne große Backfertigkeiten durch meine Familienphase zu kommen. Ich habe, ja gut, hin und wieder einen Kuchen „zusammengeschmissen“, meist etwas Rührkuchen-Ähnliches. Oder gelegentlich, wenn wir vom Sonntagsspaziergang irgendwelches Obst mitbrachten, auch etwas mit Hefeteig, auf das man das Obst draufwerfen konnte. Aber, das sagt schon das benutzte Vokabular, ich verwendete nie große Sorgfalt und schon gar keinen Eifer daran. Und folgerichtig aß die Familie auch brav, was ich da so servierte, aber es brach nie sonderliche Begeisterung aus.

Vor einem Jahr änderte sich das. Ich fing ganz harmlos damit an, wieder selbst Marzipan zu machen. OK, das hat mit Backen nichts zu tun. Aber das machte Spaß und schmeckte überdies so viel besser als das gekaufte. Selbst Leute (denn ich achte auf meine Figur und kann also das Zeugs keinesfalls selbst mehr als nur kosten), die kein Marzipan mögen, fingen zu schwärmen an. Und dann versuchte ich es mit Kuchen. Ganz einfache, die davon lebten, dass jede Menge reichhaltige Zutaten drin und drauf waren. (Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter, die jedes Wochenende buk, jemals BUTTER in einen Kuchen getan hätte. GUTE BUTTER war für aufs Brot da und nichts sonst. Selbst Soße Hollandaise wurde mit Margarine gemacht. Und in einen Kuchen vier(!) Eier hineinzutun, wäre ja nun wirklich total übertrieben gewesen.)

Ich backte für die Nachbarn, deren Backröhre (angeblich) kaputt ist. Und nahm auf die Arbeit Kuchen mit, der immerhin so viel besser schmeckte als all diese Öko-Rezepte mit lauter gesunden, gleichwohl faden Zutaten drin. Und manchmal gab ich dem Halbgaren (ich sollte das nicht mehr sagen; schließlich ist er schon 35) bei seinen Mama-Besuchen Kuchen mit.

Ich behaupte nicht, in diesem Jahr, in dem noch eine Sommerpause „drin“ war, eine sonderliche Künstlerin geworden zu sein. Aber ich bemerke einen Hauch von Abenteuerlust in diesem Bereich.

Neulich, weil mir seit Einbruch der großen Dämmerung schon schwer herbstlich zumute ist, kam mir die Idee eines Früchtebrotes in den Sinn. Das erste im Netz gefundene Rezept verwarf ich. Hefeteig ist nichts für mich ungeduldige Person. Dieses ständige Pausieren, damit das Zeug gehen und warm werden und noch einmal gehen kann und so fort, erschöpft mich total. Ganz entschieden bin ich nicht der Typ, mit irgend etwas Lebendigem (was Hefe ja irgendwie ist) zu hantieren. Bei mir muss es nach wie vor Zack-Zack gehen. Abwiegen, zusammenrühren (und das, bitteschön, mit der Hand) und rein in die Form.

Das zweite Rezept (da war ich schon einkaufen gewesen, denn frau hat ja eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was in so ein Früchtebrot rein gehört) gefiel mir besser, informierte mich aber auch, dass ein ganz, ganz entscheidender Bestandteil noch nicht eingekauft war: Backpflaumen/ Trockenpflaumen las ich, gehören da unbedingt rein, weil … sie dem Früchtebrot die typische dunkle Farbe geben. (Ich hatte mich schon gefragt, wie die da reinkommt, und vorsichtshalber Lebkuchengewürz mitgebracht, das – bei den letzten Muffins vorsichtig eingesetzt – mich nicht sonderlich glücklich gemacht hatte. Irgendwie waren die hernach nicht mehr so fluffig wie sonst. Und den gewünschten Lebkuchenanklang hatten sie auch nicht. Woraufhin mir einfiel, dass in Lebkuchengewürz vielleicht – genaue Zutaten standen nicht drauf – Hirschhornsalz enthalten ist und dieses sich nicht mit dem Backpulver, das ich gewohnheitsgemäß reingetan hatte, „verstehen“ könnte. Hirschhornsalz übrigens hat anders, als ich einige Zeit lang glaubte, nichts mit dem in der Nähe befindlichen Ort Hirschhorn zu tun. Beides bezieht sich vermutlich auf genau das, was es heißt: Das Horn vom Hirsch, das übrigens eher Knochen ist. Die einen jagen den Hirsch und die anderen zermahlen sein Horn, um damit zu backen.)

Die Trockenpflaume also (inzwischen liegt auch sie bei den Zutaten), vor der mir ein wenig graut. Vielleicht, obwohl das nicht so mein Ding ist, kann man frische Pflaumen ganz gut essen. Aber alles, was an Pflaumen verarbeitet ist (Pflaumenmus ausgenommen; das mag ich sehr) hat verheerende Folgen. Pflaumensaft kaufte ich gelegentlich gegen Verstopfung. Und da er schon in Apothekerdosierung wirkt, wandert der Rest der Flasche regelmäßig durch den Abfluss. Jedes Mal hoffe ich, dass die armen Ratten, die sich der Legende nach von unseren herunter gespülten Lebensmitteln nähren, sich anderswo befinden, wenn ich Pflaumenzeugs herunterspüle. DAS HABEN SIE NICHT VERDIENT!

Da liegen sie also, die Zutaten. Und meine Backlust liegt neben ihnen darnieder. Nicht nur wegen der Pflaumen. Die aber haben das Maß irgendwie voll gemacht. Nie hätte ich geahnt, dass eine gute Idee so schnell auf dem Bauch liegen könnte.

Auf den Punkt gebracht

Wegen eines unspezifischen Gesprächsbedarfs hatte sich R. angemeldet.
Wir sprachen über alles Mögliche, wobei R. eine Flasche seines Sixpacks nach der anderen leerte. Nach der fünften, die er sorgsam in die Reihe der vier vorherigen neben dem Tisch stellte, war er schon ziemlich angeschickert. Er verträgt nicht viel, was ja eher ein gutes Zeichen ist.
Er lehnte sich im Sessel zurück, stieß dabei an die Rückenlehne, wobei sein Basecap (Schild nach hinten auf dem dünnen Pferdeschwanz) nach oben klappte und die spärlich behaarte Stirn frei legte. Was ihm nichts auszumachen schien.

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Den Blick in die Ferne gerichtet, teilte er mir mit leicht unsicherer Sprache mit:
„Isch … finde … jeden … G-Punkt.“

„Aha.“, antwortete ich, wohl wissend, dass R. nicht immer das meint, was ich verstehe.
Manchmal erklärt er mir ungebeten irgendwelche Handwerkersachen, in denen er, wenn es nicht allzu feinmotorisch wird, sicherlich gut ist. Und, wer weiß?, vielleicht heißt irgendwas in einem Motor oder so auch was mit „G“?
„Kannnnnn…ste glauben.“ setzte er zu, weil mein Zweifel wohl offenkundig war.
„Hm.“, sagte ich, bemüht jede Diskussion im Suff von vornherein abzubiegen.
(Nicht vermeiden jedoch konnte ich mein Kopfgeschehen. Ich sah eine „mechanische Frau“ vor mir, bei der mann nur auf den G-Punkt drücken muss, um sie in Wallung zu bringen. „Das könnte euch gefallen!“, moserte mein Gift-Ich. „Einfach Knöpfchen drücken und los!“)
Und dann sprang da auch noch Nina Hagen vom Talk-Show-Sofa auf und zeigte allen den einzig wahren Punkt der weiblichen Glückseligkeit, der ein ganzes Stück weit entfernt lag vom G-Punkt.)
R., der nach dem nunmehr sechsten Bier inzwischen nicht ganz graden Schrittes ins Bad gegangen war, kam und kam nicht wieder. Was mich veranlasste, irgendwann nach ihm zu schauen.

Ich fand ihn schließlich im Schlafzimmer, wo er schon manches Mal nach dem sechsten Bier gelandet war. Diesmal jedoch hatte er es nicht mehr aufs Bett geschafft. Selig schnaufend lag er auf dem Schaffell vor dem Bett. Ich warf ihm eine Decke über. Als ich seinen Kopf hob, um ihm eine Kissen unterzuschieben, lallte er noch einmal: „Jeden!“
Ich flüsterte zurück: „Erst mal dran kommen.“

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Streit und kein Ende

Auf anderen Plattformen erlebe ich, wie die Nobelpreisverleihung an Handke gar großartige Wellen wirft. Dürfen die denn das? (Natürlich, die dürfen.) Und wenn ja, warum tun das? (Weil sie es können?)

Ich muss gestehen, dass Handke niemand ist, der meinen Befindlichkeit nahe steht. Ich kann mich nicht einmal erinnern, je etwas von ihm gelesen zu haben. Handke ist für mich also ein Irgendwer. Schriftsteller, gehasst und geliebt. Ich hab dazu wirklich keine Meinung.

Eine Meinung aber habe ich dazu, dass  sich Leute bemüßigt und berechtigt fühlen, seine Preisverleihung so verächtlich zu machen, gar falsch zu finden.

Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, irgend eine Verleihung eines Nobelpreises so anzufechten, wie das gerade eben passiert. Von den meisten Dingen habe ich viel zu wenig Ahnung. Und auch von Literatur weiß ich nicht genug, um kritische Äußerungen zu tun. Bestenfalls kann ich sagen: „Das gefällt mir und das eben nicht.“ Punkt.

Sind andere belesener als ich? Zweifelsohne. Aber sind genau die Leute, die jetzt den großen Handke-Kampf führen, belesener als ich? „Ma waas es net.“, würde der Hesse sagen. Aus dem Bauch heraus sage ich: Eher nicht.

Abgesehen davon konzentriert sich alle Handke-Kritik ja nicht auf sein Geschreibsel, sondern auf seine Jugoslawien-Milosevic-Äußerungen. Die, bitte, WAS mit seiner Schreiber-Kompetenz zu haben? Weil … schließlich gibt es den Literatur-Nobelpreis nicht für politische und/ oder persönliche Anschauungen, sondern eben für das, fürs Schreiben.

Diese Frage aufgreifend, erfahre ich, dass einer, der im öffentlichen Leben steht, seine persönliche, private Meinung nicht verwechseln soll mit …

Keine Ahnung, was das Gegenteil einer persönlichen Meinung ist. Eine unpersönliche? Eine öffentliche? Eine zur Schau gestellte (die man in Wahrheit nicht hat?)?

Da reden die Leute heute mehr denn je von der Freiheit der Meinung. Und sagen dabei Dinge, die ich oft als obszön, unmenschlich und widerlich empfinde, eben weil es keinen kirchlichen oder weltlichen Herrscher mehr gibt, der das unterbindet … und dann soll einem Künstler seine freie Meinungsäußerung verboten werden?

Und dabei geht es gar nicht darum, ob Handke Recht hat oder nicht, denn das haben die Holocaust-Leugner etc. auch nicht. Aber wenn er denn meint, das sei so, dann sollte er das sagen dürfen.

Ob wir anderen seine Meinung teilen, ist ja dann auch wieder eine Sache der Meinungsfreiheit.

Jedenfalls hat die eine und die andere Sache, nämlich: ob ich in dem, was ich tue, gut bin oder nicht, nichts mit unseren Meinungen zu tun.

 

Vertikal

Früher, wenn wir jugendlich-übermütig gezecht hatten und am Ende des Abends sich unsere Wege trennten, sagte der Eine oder Andere: „Halt dich senkrecht!“

Die Bedeutung erschließt sich leicht. Nur, wer aufrecht ging und blieb, konnte gut nach Hause kommen. Schließlich hatte man schon von Leuten gehört, die sich, namentlich im Winter, irgendwo am Straßenrand niederlegten, dabei vielleicht „Nur eine Minute!“ murmelten und nie wieder aufwachten.

Senkrecht bleiben ist hier also wörtlich zu nehmen im Sinne von aufrecht, was mit der moralischen Bewertungen nicht das Geringste zu tun hat. Aufrecht zu bleiben nach übermäßiger Einnahme sinnestrübender Stoffe ist fern aller moralischen Bewertung und lediglich lebenserhaltend.

Senkrecht zu bleiben ist aber auch in anderen Zusammenhängen lebensnotwendig. Zum Beispiel beim Bergsteigen. Wer am Seil in der Horizontale hängt, ist hilflos und hat schon halb verloren. Ohne fremde Hilfe wird er nur schwer aus der Misere herauskommen.

Die Vertikale also als Sinnbildlichkeit des Durchhaltens, Nicht-schlapp-Machens.

Wohingegen die Horizontale Schwäche symbolisiert, wer liegt, hängt, sich auch nur beugt, ist in einer schwachen Ausgangslage, steht von vornherein als Unterlegener da, der nur schwer etwas an seiner Position ändern kann.

Und nun kommt Mourad Merzouki mit seinem Tanzstück „Vertikal“ daher und beweist uns das Gegenteil von allem, was wir zuvor zu wissen glaubten.

Dynamische Körper springen, schweben, gleiten über die Bühne und wecken nicht auch nur einen Moment lang den Eindruck von Schwäche. Oft entsteht eine Form von Grazie, die Körpern, welche der Schwerkraft ausgesetzt sind, so nie gelingen kann. Merzouki, der natürlich nicht zaubern kann, sich stattdessen der im Film schon lange bekannten Hilfsmittel bedient, sie auf die Bühne bringt und dort z.T. unsichtbar macht, gelingt, was wir so (vom Cirque du Soleil einmal abgesehen ) noch nie auf der Bühne sahen. Dabei bleibt er aber immer im Tanz, gleitet nie in die Show ab.

Er fügt seinen Tänzern zuweilen nur eine Winzigkeit dessen an Fähigkeiten hinzu, was sie wider die Schwerkraft so nicht erreichen können. Und dann wiederum lässt er sie ganz offenkundig am Gummiseil in der Vertikale tanzen. Keine Hilflosigkeit, wie wir sie in der Vertikale kennen, sondern Anspannung, Kraft, höchste körperliche Leistung, die den Tänzern abverlangt wird.

Wie so oft, hatte ich die Kopfhörer auf, sah nicht, sondern hörte nur, während ich etwas anderes tat. Und wollte schließlich dann doch wissen, was da passiert. Ich blieb sitzen bis zum Ende und hatte einen offenen Mund.

Wir denken immer, dass den klassischen Künsten, Musik, Malerei und eben auch dem Tanz nur wenig anderes noch gelingen kann. Alles ist schon getan, alles schon versucht. Merzouki aber und sein Team fügen dem Tanz eine vollkommen neue Dimension hinzu.

Anschauen!

https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/vertikal-118.html

 

 

 

 

 

 

 

Von Bienen und Blumen

Der Samstagmittag-Einkauf ist, wenngleich genauso ungeliebt wie der in der Woche, dann doch irgendwie netter.

Während ich in der Woche gleich von der Arbeit aus los tobe, um noch die aller wichtigsten Dinge einzusammeln, habe ich den Einkauf am Samstag zum Spaßeinkauf erklärt. Nichts drängt mich, nichts muss. Und die Läden beginnen sich auch schon zu leeren, weil der gemeine Landmensch ein Frühaufsteher ist und beizeiten alles erledigt haben will.

So gehe ich Samstags im Trödelschritt los, schaue links und rechts, stelle mich auch schon mal hin und sehe nach den Enten in unseren Miniflüsschen. (Früher war das ein schwules Paar. Dann kam eine Frau ins Spiel, die die beiden – ohne Fortpflanzungserfolg – treu begleitete. Und irgendwann schwammen hinter den Dreien doch tatsächlich eine erkleckliche Anzahl an Minientchen her. Das war letztes Jahr. Der schwule Freund ist in diesem Jahr weg geblieben und sie und er schwimmen noch immer zusammen, obwohl es dieses Jahr keine Minientchen gab. Oder ist der andere, jetzt nicht mehr schwule, weg geblieben? Vielleicht weil er auf den Geschmack gekommen ist? Das immerhin würde die Kinderlosigkeit in diesem Jahr erklären.)

Vor mir gehen Vater und Sohn (6?). Der Vater redet von Bienen und Blumen. Ein für uns Ältere wohlbekannter Einstieg in ein Aufklärungsgespräch, das – wer Männer kennt, weiß das – beim Gehen besser geführt wird, weil Männer eben besser verstehen, wenn sie in Bewegung sind. (ICH hab mir das nicht ausgedacht, es vielmehr von Frau Birkenbihl gehört.) Allerdings finde ich es, was den Jungen angeht, noch eine Winzigkeit zu früh für Aufklärung, sage mir aber, dass Aufklärung ja stufenweise und anlassbezogen erfolgt. Und mit Bienen und Blumen ist letztlich keiner überfordert.

Ich halte meinen Schritt extra langsam, um das Geschick des Vaters zu prüfen, der sehr eifrig erklärt, dass die Pollen von den Bienen von einer Blüte zur anderen transportiert werden. Nicht ungeschickt finde ich das und verschwende ein paar kurze Gedanken an meine eigene Aufklärung.

Die fand mit neun statt, sehr spontan und angesichts der Klage meiner älteren und bereits sexuell aktiven Geschwister, dass sie nie aufgeklärt worden seien. Also nicht zu Hause.

Bei mir wollte man es nun richtig machen. Und das wurde eine Sache von einem ganzen Nachmittag. Erst nahm mich mein Bruder beiseite und zeigte mir unter Zuhilfenahme einiger Bücher, wie Männer und Frauen außen und innen aussehen und was da biologisch passiert. Dann nahm mich meine Mutter beiseite und konnte sich, dank der vorangegangenen Erläuterungen ganz auf den emotionalen Aspekt beschränken. So im Sinne von „nur, wenn man sich wirklich und ganz dolle lieb hat“. Und mein Vater, der grad heimkam, erledigte, ganz Werkzeugmacher, den „technischen“ Aspekt, indem er mit erklärte, warum Männer das überhaupt können. Auch hier wurde der emotionale Aspekt betont.  „Nur, wenn man sich wirklich und ganz dolle lieb hat“.

Ich schwöre, die Sache war wirklich nicht abgesprochen und geplant, sondern ganz spontan geboren. Und obendrein kann ich beteuern, dass mir diese frühe und umfassende Aufklärung kein bisschen geschadet hat. Im Gegenteil, denke ich, konnte ich auf diese Weise über allerlei Mutmaßungen und alberne Geschichten, die einige Zeit später bei Gleichaltrigen umgingen, nur müde lächeln: ICH wusste Bescheid. Aber sowas von …

Schließlich komme ich nicht umhin, an Vater und Sohn, die vor lauter Gesprächseifer nun beinahe stehen geblieben sind, vorbei zu gehen und schnappe nur noch auf:

„Und, siehst du: Deswegen sind Bienen so wichtig. Wenn sie die Blüten nicht bestäuben, gibt es keine Früchte und keine neuen Pflanzen mehr.“

Ach, denke ich, was war das doch früher anders. Nie und nimmer hätte irgendwer in meiner Kindheit und Jugend gedacht, dass wir uns einmal Sorgen machen müssten, es könne keine Bienen mehr geben.

Aber wenn es irgendwann keine mehr gibt: Wie fangen Eltern dann wohl ihre Aufklärungsgespräche an?

Kann denn Liebe Sünde sein?

Betrachte ich das, was neuerdings so gehäuft durch meinen Kopf geht, genauer, müsste ich mindestens zwanzig, eher dreißig oder vierzig Jahre älter sein als ich es tatsächlich bin. Nicht, dass das nicht schon genug wäre. (Was mir gelegentlich durch den Kopf geht, wenn ich die Menschen in meiner (Arbeits)Umgebung anschaue und mindestens 60, eher 70 Prozent von ihnen in einem Alter verorte, in dem sie meine Kinder hätten sein können.)

Aber gut. Ich bin keine Achtzig oder Neunzig, habe aber ganz entschieden das kulturelle Gedächtnis derer, die es sind oder wären. Schuld sind meine Eltern. Die, wie jede Generation, gern an ihre Jugend zurück dachten. Erstaunlicher Weise funktioniert das auch, wenn im Rückblick eben diese Jugend als ganz furchtbar und schrecklich angesehen wird.

Jugend ist ein ganz eigener Zeithorizont, dem es gelingt, auch aus den miesesten Umständen noch etwas Gutes herauszuholen und selbiges hinein zu deuten. Ganz einfach weil Jugend die Zeit, ist der wir uns ausprobieren, Fehler und Verrücktheiten begehen, und verlieben und all das. Nie wieder wird das Leben so leicht und unbeschwert sein wie in der Jugend, sei das Umfeld so tragisch wie auch immer.

Und weil jeder es lieber ein bisschen leichter und unbeschwerter hätte, schwirrt die Jugend als Quell von allerlei Nostalgie durch unsere Köpfe.

Meine Tochter war neulich auf dem Konzert einer Band (oder wie nennt man das jetzt?), die sie in ihren Teeniejahren zum ersten Mal live sah. Und sie kam zurück mit ebendenselben roten Bäckchen wie damals. Obwohl ich bei Ausschnitten den Eindruck hatte, die Herren waren nicht nur alt geworden, sondern auch ihrer Wirkkraft verlustig gegangen.

Egal, Tochter sah nicht, was wirklich geschah, sondern was sie erinnerte. Nostalgie also. Vermutlich spielten im Hinterkopf so viele andere Dinge eine Rolle, dass es gar nicht wichtig war, was da vorne auf der Bühne wirklich geschah.

Ich selbst, erinnere ich, saß irgendwann in den Neunzigern (weil wir einmal bei Musik sind) Tränen überströmt in der Stuttgarter Schleyerhalle, weil ich nie im Leben gedacht hätte, dass ich diese Menschen da oben, die ich bis kurz davor nur von mehrfach überspielten Kassetten gekannt hatte, jemals live sehen würde.

So weit, so verständlich.

Aber … wie kommt es, dass mir die Lieder aus der Jugend meiner Eltern so gegenwärtig sind?

Ahja, ich weiß.

Fernsehen in den sechziger und siebziger Jahren war ja kein solches Rundum-Angebot wie heute. Man nahm die erst zwei, dann drei, vier … Sender, wie man sie kriegen konnte. Und wenn nicht der totale Blödsinn lief, war alles gut. Und wenn das Testbild lief, ok, dann war das eben so.

Beginnend ab 1955 lief die „Rumpelkammer“, die durchaus Charme hatte. Willi Schwabe kletterte zu einer Bodenkammer-Kulisse hinauf und fand Requisiten zu und aus Filmen der Ufa-Zeit. Die er erklärte, kommentierte und mit Filmausschnitten garnierte.

Außerdem (auch wenn ich das gedanklich auf der gleichen Schiene verorte) lief auf einem anderen Sendeplatz, nämlich montags, vor dem „Schwarzen Kanal“

der Montagsfilm. Da wurde das gesamte Ufa-Repertoire  rauf und runter gespielt. Was kein Wunder war, denn mehr als die Hälfte der Bevölkerung war damit aufgewachsen und (s.o.) jung gewesen. Und außerdem lagerten die Ufa-Bestände in Deutschland Ost.

Kurzum: Montags war Ufa-Tag und all die alten Stars hatten ihren Auftritt, zauberten den Eltern glänzende Augen und waren für meinereiner nicht nur, aber auch deswegen reichlich spannend. Insgesamt wurden die Filme, derer mancher im Nachhinein als Nazi-Durchhaltefilm bezeichnet wurde, als kurzweilig empfunden. Und, anders als später, störten auch die Musikeinlagen, beinahe obligatorisch, kaum.

Und jeder weiß, dass Lieder in unseren Köpfen ewig leben. Je öfter wir sie hören, umso eingängiger sind sie und umso mehr setzen sie sich fest.

Wenn gar noch Texte dabei sind, deren Refrain kinderfreundlich ist, dann gibt es keine Rettung.

Ich schätze, wenn ich denn einmal in dem Alter bin, in dem das Kurzzeitgedächnis deutlich versagt, dafür aber die Erinnerungen hoch kommen, werde ich nicht die Beatles und Co. erinnern, sondern Zarah Leander. Kein Grund für Traurigkeit. Was Nina Hagen kann, kann ich schon lange.

 

 

 

 

„Du hast gesagt, du hast aufgepasst!“ …

… ist ein Klassiker in der Kommunikation zwischen Frauen und Männern. Den wir allerdings spätestens in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts verorten. Weil da Frauen ungleich schwerer verhüten konnten als Männer. Männer aber häufig unlustig der Verhütung gegenüber standen, weil sie sie lästig in der Anwendung und Vorbereitung fanden und nicht selten auch peinlich in der Beschaffung.

Hernach nahmen Frauen selber ihre Geschicke in die Hand. Was ihnen aber solche Begegnungen wie die meiner Bettnachbarin in der Frauenklinik nicht ersparte, die tagelang nicht besucht wurde. Irgendwann riss ihr Mann dann unsere Zimmertür auf, hielt den Kopf rein und quäkte: „Was denn? Schon widder ne Büchse?“ und verschwand. Das war bereits in den Achtzigern. Und zweifellos hatte der Knabe (seine Frau war 22 und hatte zu den zwei vorherigen noch ein drittes Mädchen geboren) im Biologieunterricht nicht sonderlich gut aufgepasst. Denn den an seine Frau gerichteten Vorwurf hätte er mal lieber vor dem Spiegel aussprechen müssen. Nachgewiesenermaßen war ja doch er selbst der „Büchsenmacher“.

Kurzum: Bis vor nur wenigen Jahrzehnten irrten mancherlei Irrtümer hinsichtlich Zeugung und Schwangerschaft durch das gemeine Volk, die wir abgeschafft glaubten.

Wenn jedoch ein Satz wie im Titel eine ernst genommen werden wollende Reportage über was auch immer abschließt, gerät man in Zweifel, wie ernst die Protagonisten überhaupt genommen werden können. Wer im 21. Jahrhundert noch nicht weiß, dass „Aufpassen“ so ziemlich die unsicherste Verhütungsmethode ist, kennt sich vielleicht mit vielen anderen Dingen auch nicht so gut aus?

So ist der Film „Eingeimpft“ von David Sieveking besser mit Abstand zu betrachten, auch wenn die aus dem familiären Konflikt (er: pro-Impfen, sie: am besten gar nicht) geborene Recherche ausführlich und ein jahrelanger Prozess ist, den andere Eltern selten mit derartiger Konsequenz durchlaufen. Es bleiben Restzweifel, die uns, die wir den Wert von Impfungen stets als durchweg positiv begriffen, fragen lassen, ob da nicht allerhöchstes Wohlstandsdenken und der Wunsch nach 100%iger Sicherheit die einfachsten Erkenntnisse blockieren.

Zu behaupten nämlich, dass Kinder den eventuellen Impfrisiken schon allein deswegen nicht ausgesetzt werden müssten, weil die meisten der Krankheiten ja ausgerottet sind, lässt außer Betracht, dass die Ausrottung DURCH die Impfungen erfolgt ist. Die Erreger sind damit aber nicht grundsätzlich weg. Sie lauern in der Erde (Tetanus), auf anderen Kontinenten und manche sind halt einfach immer da.

Die Eltern anderer Sandkastenkinder sagen es den Protagonisten unumwunden. Trotz der gerade grassierenden Masern könne man das Fest am Wochenende machen, weil alle Kinder geimpft seien. „Achso? Eures nicht???“ Das halten sie für verantwortungslos, weil der Schutz der Gemeinschaft eben nur deswegen vorausgesetzt werden kann, WEIL die Kinder geimpft sind. Die wenigen nicht geimpften Kinder werden also geschützt dadurch, dass die Mehrheit der Eltern für ihre Kinder evtl. Risiken in Kauf nehmen, welche die Impfgegner für sich komplett ausschließen möchten. Sehr solidarisch ist das nicht. Und wenn plötzlich alle so dächten (und die Zahl der Impfgegner nimmt tatsächlich zu), wie sicher ist dann noch der Schutz der Gemeinschaft?

Mediziner gehen davon aus, dass mindestens zwei Drittel der Bevölkerung geimpft sein müssen, um Epidemien bzw. Pandemien zu vermeiden. Dennoch sind über 30% Ungeimpfte auch über 30% potentielle Erkrankte.

Trotzdem ist der Bericht sehenswert, denn er weist auf Zusammenhänge hin, die vielleicht nicht offenkundig sind:

Lebendimpfstoffe können sich günstiger auswirken als Totimpfstoffe, deren Wirksamkeit durch Aluminiumsalze angeregt werden muss.

Impfungen ab dem 1. Lebensjahr wirken sich möglicherweise günstiger aus, weil der kindliche Organismus dann bereits entwickelter ist und mit geringeren Dosen auskommen kann.

Impfungen wirken günstig und zwar auch gegen andere als die geimpften Krankheiten, weil sie die Abwehrmechanismen im Körper wecken und anregen.

Und, ja, traue nicht allem, was dir Ärzte und Institutionen erzählen. Es könnte sein, dass die am Profit interessierte Pharmaindustrie Meinungen forciert und gesteuert hat. Denn schließlich sind es nicht die Ärzte und oft auch nicht die Institutionen, die Studien durchführen und finanzieren, sondern die an Höchstabsätzen interessierte Industrie.

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Wir, damals, die noch Kinder mit Masern, Keuchhusten und Kinderlähmung in unserer Umgebung hatten, können nur schwer verstehen, dass jemand DAS in Kauf nehmen will, um sehr viel niedrigere Risiken zu vermeiden. Gleichwohl sollte niemandem seine Sorge kleingeredet werden und jeder die Möglichkeit bekommen, sich umfassend zu informieren.

Wir müssen nicht das Impfen abschaffen, denke ich. Aber wir können die möglicherweise im System liegenden Fehler offenkundig machen und beseitigen.