Jahrelang hatte ich eine Kollegin, die regelmäßig verkündete, sie ginge auf die Arbeit, um Spaß zu haben. Abgesehen davon, dass ich eine Existenz, die nun ausgerechnet auf der Arbeit Spaß suchen muss, folglich also anderswo nicht genug davon hat, reichlich armselig finde, denke ich, dass die Arbeit für solcherart Suche nicht wirklich der richtige Ort ist.
Die Kollegin hatte demnach auch so dies und das Problem, das man rückschauend nicht wirklich mit der Arbeit in Zusammenhang bringen konnte.
Gleichwohl bin ich der Meinung, Arbeit, so man sie denn langfristig auszuüben beabsichtigt, soll schon Spaß machen. Ich hoffe, Sie verstehen den Unterschied. Der, für jene, die ihn nicht verstehen, darin besteht, dass Arbeit nicht dazu da ist, uns zu bespaßen, aber so gestaltet sein sollte, dass sie zu einem selbst passt und einem irgend eine Art von Erfüllung gibt.
Wenn ich eine Sache gut kann und deswegen gut mache, können Legionen von unfähigen Menschen einen umschwirren und nichts am Resultat ändern, denn das Wohlgefühl, das man aus der Sache zieht, kommt nicht von Vorgesetzten oder Kollegen, sondern von der Befriedigung, die man aus dem richtigen Umgang mit der Sache zieht. „Die Sache“ können dabei Objekte (ein Schreiner, der am Ende seiner Arbeit mit höchster Befriedigung über das Holz streift) oder auch Menschen (ein ernst gemeinter Dank für eine Dienstleistung) sein.
Vielleicht, denke ich, ist Spaß sowieso das falsche Wort. Spaß klingt für mich nämlich sehr nach Vergnügungspark oder dem, was man so mit drei Gläsern Sekt intus tut. Nichts Bedeutendes jedenfalls.
Was ich in Verbindung mit Arbeit sehe und was mich auch immer bei der Stange gehalten hat, ist so eine Begrifflichkeit wie „Befriedigung“: Sich angestrengt haben und damit erfolgreich gewesen zu sein. Auf irgendeine Weise.
Im Hinblick darauf, dass immer älter werdende Menschen immer länger werden arbeiten müssen, kommt diesem Aspekt der Arbeit m.E. gar nicht genug Aufmerksamkeit zu. Wo früher der Arbeitnehmer seine Befriedigung bei der ja mehr oder weniger immer gleichen Beschäftigung daraus bezog, dass er sich in einem Umfeld bewegte, das er schon seit Jahrzehnten kannte, das für ihn also eine Art Ersatzfamilie war, ist der Mensch der Neuzeit mit der von ihm abgeforderten steten Flexibilität dringendst darauf angewiesen, sich nicht mehr an die Menschen in seinem Arbeitsumfeld zu binden, sondern an die Sache an sich. Arbeitsinhalte bekommen demnach immer mehr an Bedeutung, wo es früher ausreichte, dass die Arbeitsumgebung uns emotional band.
Die Kunst ist es, den „Spaß“ lange genug beizubehalten.
Ich selbst beobachte nach 46 Jahren, was recht spät ist, eine gewisse Ambivalenz an mir. Der Kollegen-Effekt zieht noch immer (meine Wechsel waren überschaubar), die Arbeit selbst ist noch immer interessant, wenn auch nicht mehr aufregend, und gewinnt ihre „Würze“ weniger aus den Inhalten, denn aus dem zwischenmenschlichen Bereich.
Aber ich beobachte auch gewisse Ermüdungseffekte.
Wo junge Kollegen mit Begeisterung und Erstaunen Neuerungen aufnehmen und umsetzen, klingelt es im Hinterkopf, dass wir das doch Dunnemals (vor 15 und auch 25 Jahren?) schon einmal ganz genauso taten. Es ist irgendwie wie bei der Haute Couture. Junge Interessierte überschlagen sich vor lauter Begeisterung, während die Älteren ihren jungen Mitmenschen raten: „Diese großkarierten Hosen trugen wir schon in den 80ern. Kauf das Zeug nicht. Im nächsten Sommer kannst du das schon nicht mehr anziehen.“ Natürlich kaufen sie es doch, weil sie jung und begeistert ob der Andersartigkeit sind, nicht wissend, dass es nichts gibt, was nicht schon einmal da war.
Der ältere Arbeitnehmer, der vielleicht schon vor vier, fünf Jahren geraten hat, man solle die Dinge so tun, wie man sie jetzt höchst öffentlich empfohlen hat (damals, als man selbst das empfahl, ging das natürlich noch nicht; es müssen erst Chefs darauf kommen), begegnet den Neuerungen weniger mit Begeisterung , denn mit Langeweile. „Hab ich doch“ gesagt, ist nicht nur ein Zeichen dafür, dass man schon zu lange dabei ist, sondern auch dafür, dass es Zeit für den Ausstieg wird.
Was im Übrigen auch den „Schrecken“ der älteren Arbeitnehmer für die Arbeitgeber ausmacht und den Wunsch auslöst, die älteren Arbeitnehmer möglichst unkompliziert loszuwerden. Was, wenn ordentliche Abfindungen fließen, den Arbeitnehmern des bekannten Effektes wegen nicht unrecht ist.
Aber in diesen Genuss kommen nur wenige. Abgesehen davon, dass so eine Abfindung schon reichlich sein muss, um die große Lücke bis zum gesetzlichen Renteneintritt zu überbrücken.
Ich selbst darf mich auf derlei nicht freuen. Man erträgt mich und meine zeitweilige Übellaunigkeit, die aus eben diesem „alles schon mal da gewesen“ (und dem in Klammern gesetzten: „ihr habt das Rad jetzt gerade nicht neu erfunden“) resultiert, gerade mal so und hofft, dass all das für alle Beteiligten halbwegs schmerzfrei vor sich und zu Ende gehen wird.
Und doch: Denke ich an den Ruhestand, hege ich die gleichen ambivalenten Befindlichkeiten wie gerade eben. Natürlich ist es ein guter Gedanke, morgens eine Stunde länger liegen bleiben zu können und Herr seiner Zeit zu sein.
ABER: Man ist das ja dann nicht gewöhnt. Nach all diesen Jahren.
Nach all diesen Jahren ertappe ich mich bei der Idee, wie es wäre, noch eine Zeit länger, und wahrlich nicht des Geldes wegen, hinzugehen. Für ein paar wenige Stunden. Und etwas zu tun, was man wirklich gut kann. Nicht, dass ich andere Dinge, die dann zu tun ich mir schon seit Jahrzehnten lebhaft vorstelle, nicht auch gut könnte. Und wenn ich sie wirklich (noch) nicht so gut kann wie eben DAS, habe ich ja dann Zeit sie noch besser zu lernen.
Nicht, dass …