Bei uns

Ich erzähle Sohni am Telefon, wie stolz ich darauf bin, dass ich das mit dem Teppichbelag so gut hingekriegt habe. Schließlich ist in dieser Wohnung rein gar nichts gerade, die Bodenfliesen aber schon. Mir entfleucht ein „bei uns“, obwohl Sohni nun schon seit elf Jahre nicht mehr hier wohnt. Bei Tochter, die nie hier in dieser Wohnung wohnte, konnte ich weniger emotional, wenngleich keineswegs weniger stolz sein.

Schließlich habe ich so´n Zeuges noch nie gemacht.

Als ich gestern, um die endgültige Ordnung herzustellen, die Kartons von den Fliesen zum Papiermüll runterschaffen wollte, wurde offenbar, dass sie eine Winzigkeit zu hoch sind, die Fliesen. Die Tür ging gerade diesen kleinen Spalt auf, an dem nix von dem Belag lag. Dann hing sie fest.

„Mit Gewalt und Spucke fängst du jede Mucke.“, pflegte mein Vater zu sagen, der Werkzeugmacher und in einer Feierabendbrigade war. Kein Mensch kennt das heute mehr, aber dazumal im Osten war das eine große Hilfe für handwerklich ungeschicktes Volk mit wenig Geld. Man sagte irgendwo Bescheid, dass man dies und das Problem hatte, und abends oder spätestens am Tag drauf kam einer von der Feierabendbrigade und pusselte ein wenig dran rum. Meistens hatte man Glück und wenigstens eine provisorische Lösung des Problems. Und manchmal war erstaunlich, wie lange solche Provisorien halten können.

Bei mir war es erst einmal die Gewalt, mit der ich – ganz ohne Spucke – die Tür dann doch auf bekam und meine Kartons nach unten. Gleichwohl, war mir klar, konnte das so nicht bleiben.

Der R., den ich in meiner Not anpingte (meine Leser kennen ihn von seiner Findigkeit beim G-Punkt), erklärte sofort seine Hilfsbereitschaft und dass er nachschauen würde, ob er passende Unterlegscheiben hätte, die man der Tür verpassen und sie damit anheben könne.

Ich hatte schon darauf gewartet, dass er – mir scheint, alle Handwerker tun das – mäkelig an meinem Belag rumschubsen würde,  der – dank doppelseitigem Klebestreifen an den Randfliesen – bombenfest sitzt. Als das nichts half, meine er, ich hätte „sehr großzügig“ verlegt, was bedeuten sollte, dass ich nicht bis ins letzte Eck verlegt hatte. Aber darum war es mir nie gegangen. In Ecken meiner Räumlichkeiten pflege ich nicht zu laufen.

Und schließlich, das sagte ich auch dem R., der – als wir noch zusammen gewesen waren –  aller Welt erzählt hatte, was für eine ordentliche Hausfrau ich sei (das stimmt übrigens nur aus seiner Sicht), dass ich nächstens zu ihm kommen und an seinen Sachen rummäkeln würde. Kess behauptete er, dass er sich in seiner Buzze wohlfühlen würde. Und darauf schließlich käme es an. Und ich behauptete dagegen, dass meine aber viel schöner sei. Da könne er sich in seiner so wohlfühlen, wie er wolle.

Wir streiten nach wie vor ganz trefflich. Aber in Wahrheit meinen wir es nicht ganz so ernst. Wie ich auch, nachdem die Wohnungstür ausgehängt war, er – wider gestrige Zusage – keine gescheiten Unterlegscheiben mitgebracht und ich keine passenden hatte,  wir also die Badtür, in der die passenden waren (Warum meinten wir damals, diese Tür müsse angehoben werden ? Beim Wiedereinhängen funktionierte sie ganz wunderbar auch ohne Unterlegscheiben.), aus- und wieder einhängten und die entnommenen Unterlegscheiben der Wohnungstür verpassten, welchselbe nun nicht ganz, aber ziemlich schleiffrei sich öffnen lässt.

R. meinte zwar, irgendwann ginge der Belag dennoch kaputt, aber ich versicherte ihm, dass ich noch genug Fliesen übrig hätte, sei es denn soweit.

Ich weiß gar nicht, wie es auf seinen potentiellen Millionengewinn kam und auf die nicht wirklich ernst gemeinte Frage, ob er mich dann heiraten würde. Natürlich, meinte er. Mich würde er immer … und auch ich hätte seinerzeit (was keineswegs stimmt) in schwachen Momenten den Wunsch geäußert, mit ihm zusammen zu ziehen. Woran ich mich nicht nur nicht erinnern kann, sondern das nicht getan zu haben ich jederzeit gute Gründe hatte.

Während er in Erinnerungen schwelgte, die ich so nicht teilen konnte, wurde ihm sehr nostalgisch.

Und mir wurde klar, dass dieses „UNS“ eine höchst Subjekte Sache ist, Genauso, wie unsere Kinder, selbst wenn sie unser Leben längst nicht mehr teilen, ein „unser“ erzeugen, genauso denken ehemalige wie auch immer nahe Partner über ein „unser“ nach, das es so vielleicht nicht gab.

Jedenfalls suchen wir  immer irgendwie eine Nähe, damit wir uns nicht allein fühlen.

R. spricht mit seinen Katzen. Ich mit mir selbst. Mein Sohn mit seiner Freundin oder mir. Meine Tochter mit ihrem Freund oder mir.

R. sagte übrigens, ihm fehle so viel gar nicht. Er lebe gerne und gut allein. Aber manchmal fehle es ihm, abends im Bett, jemandem zu erzählen, wie der Tag gewesen sei. Dass, wenn er mit ihnen spricht, seine Katzen ihm antworten, sei irgendwie nicht das, was er brauche.

2 Gedanken zu “Bei uns

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