Langweilig, langweilig, langweilig

Als mein Enkel am Tag danach in der Schule darüber sprechen sollte, wusste er nichts von den Geschehnissen in Hanau. Was nichts Besonderes ist, denn er ist ein Kind, das abends zeitig schläft und morgens keine Nachrichten hört, sondern seine Bitcoin-Kurse überprüft.

Abgesehen davon, findet er, dass Nachrichten zu sehen einen nur mit Neuigkeiten belastet, die schlichtweg negativ sind und an denen er mit seinen 13 Jahren nichts ändern kann. Wenn er sie denn überhaupt versteht. Er meint, es solle (aber da ist er nicht der Erste) Nachrichten geben, in denen positive Dinge berichtet werden.

Da er sich für Sport nicht interessiert, ist praktisch jede Chance vertan.

Seither, und inzwischen muss ich meinem Enkel Recht geben, wird in den sozialen Medien diskutiert. Hin und her und nichts, das ich hier wiederholen möchte. Jeder, der sich nur ein bisschen interessiert, weiß das selbst. Rassismus versus geistige Verwirrtheit ist ein Problem, das selbst wir Erwachsene nicht lösen können. Schon gar nicht, weil wir ziemlich weit weg von allem sind.

Vielleicht sollten wir die Leute, deren Aufgabe es ist, ihren Job machen lassen.

Und vielleicht sollten wir insgesamt geduldiger werden, ehe wir uns Meinungen aneignen, die nicht unsere eigenen sind, sein können.

 

Erkenntnisse

Ich mag kein Hack aus dem Supermarkt.

Entweder es ist Rinderhack und damit unglaublich fade (früher, da, wo ich herkomme nannten wir es „Schabefleisch“ und aßen es roh, was seit BSE natürlich nicht mehr geht) oder es ist Rind und Schwein gemischt. Immer noch fade. Man hat das Gefühl, man müsse Gewürze Handvoll dazu werfen, dass es nach irgend etwas schmeckt. Und die Konsistenz gefällt mir auch nicht, beim einen wie anderen nicht. Gebraten, und dazu kauft man es ja, hat es so etwas Krümeliges, das mit Fleisch nichts zu tun hat. Am Liebsten mag ich das, was der Hesse Schweinemett nennt (wir damals nannten es schlicht Gehacktes, das allerdings im Gegensatz zum Mett nicht vor gewürzt, aber vom Grundsatz her saftiger, fleischiger war). Das kriegt man aber nur beim Metzger, der heute nicht auf meinem Weg lag.

Also kaufte ich Bratwürste, in denen so ziemlich das Gleiche wie im Mett ist. Und weil ich heute faul war, schlich ich am Kochhelferchen-Regal vorbei und fand tatsächlich etwas, das mir helfen sollte, Gehacktes-Klößchen oder Frikadellen, wie das hier heißt, zu machen.

Nicht, dass das Selbermachen sonderlich schwer wäre: Die Würste auspellen, etwas nachwürzen, ein Ei dazu, Zwiebel kleingeschnitten, Semmelmehl (neulich warf ich noch einen Hauch gemahlenen Kümmel dazu, was sehr gut schmeckt). Und das wars dann schon.

Auf der Packung sah das aus wie Köttbullar, die ich nur vom Hörensagen kenne. Schon ewig war ich nicht mehr bei Ikea. Aber die Leute schwärmen so. Da wollte ich es halt wissen.

Die Dinger haben ganz nett, aber eben auch nicht weltbewegend geschmeckt. Nicht wie bei Muttern, aber das tun die meinen, auch wenn ich alles richtig mache, wahrscheinlich auch nicht. Ich habe den Verdacht, dass das Fleisch nicht mehr so ist wie damals.


 

Die ganze Zeit versuche ich schon, Ordnung in meine Wohnung zu bringen.

Nicht, dass die jetzt so furchtbar unordentlich wäre. Aber irgendwie ist da so der Gedanke an manches, was ich irgendwo sah. Ich habe das Gefühl, dass ich dem nicht gerecht werde. Als ich gestern durch meine Wohnung schlich, fiel mir trotz aller vorherigen Räumerei noch diese und jene Ungereimheit auf, die es flugs zu beseitigen galt.

Und so kruschtelte ich herum, statt den Zustand zu genießen.

Erst heute, bei dem Gedanken an irgendwas, fielen mir Bücher in die Hand, die – ich erinnere mich – vor Jahren noch über Stunden meine Aufmerksamkeit beansprucht hätten. Ich schlug sie auf, sah Bilder, die ich noch nie zu sehen geglaubt habe (Was tat ich mit den Büchern, als ich sie gekauft habe? Tat ich sie gleich in den Schrank? Früher wäre mir das nie passiert.) Und ich dachte an die grundierte Leinwand, auf der ich das erste Mal seit Langem wieder Ölfarbe ausprobiert hatte. Irgend so etwas würde da gut drauf passen, dachte ich.

Nachdem ich die Bücher durchgeblättert hatte, schienen sie schon wieder zu stören. Zurück in den Schrank?, fragte ich mich.

Und dann fiel mir ein, dass ich früher sehr viel weniger empfindlich gewesen war, was meine Umgebung anging. Da war dieses Zimmer (in dem ich gerade sitze), das ein einziges Chaos gewesen war. Ich nannte es Atelier. Und das war es auch. Eine Liege, abgedeckt, auf die ich meine fertigen Bilder zum Trocknen legte. Ein riesiger Tisch, auf dem meine Malutensilien stets griffbereit um die Staffelei herum standen. Wollte ich malen, ging ich in das Zimmer hinein. Und wenn nicht, schloss ich die Tür und alles war gut.

Jetzt ist der Raum Gästezimmer, Computerraum, Malzimmer …

Dass das Klappdingens, auf dem mein Sohn bei seinen Besuchen schläft, seit dem letzten Mal nicht zusammengeklappt wurde, merkte ich heute, ist gar nicht so schlimm.

Man könnte, dachte ich, diese Bücher, die ich beinahe vergessen hatte, dort ausbreiten, sich drauflegen und drin blättern. Man könnte diesen Raum, der inzwischen so viel ordentlicher ist, dennoch zu einem Raum der Inspiration machen. Man könnte sich auch darüber freuen, dass der unter der Staffelei, die nicht immer da steht, liegende Teppich so kunterbunt ist, dass man Farbspritzer als normal und zugehörig ansieht.

Man könnte, und das ist eine wirklich gute Nachricht, eine eventuelle kleine Unordnung als Born der Kreativität auffassen und genießen.

Die Legende von den sieben Legenden

Zwei Geschichten, eine Zeit.

Der Maler XY, im Vorland von Dresden lebend,  begibt sich an Dresdens Schicksalstag in die Stadt und findet ein Mädchen, das er vor dem Drama der Zerstörung rettet. Er ist kein wirklicher Held und weiß auch nicht wirklich, wie man ein Kind aufzieht. Aber er tut es. Nach erstaunlichen Regeln, mit großer Besorgnis und nicht – wie sich herausstellen wird – ohne Eigennutz. Aber der ist nicht geplant.

Eine Geschichte, die mich dermaleinst sehr bewegte. Das Buch steht heute – wieder -in meinem Regal.


 

Eine junge Frau, die in den Wirren des Krieges Dienste leistet, indem sie den Himmel beobachtet, um vor Angriffen zu warnen, wird schwanger. ER hat sie nach Hause gebracht, nach einem dieser Dienste, damit sie sicher sei. Die Unsicherheit lag in diesem Arrangement. Dass er schon verheiratet war, machte die Sache nicht besser.

Monate später bringt sie in einem Lebensborn-Heim, wo man ihrem Kind schon eine Zukunft zugedacht hat, eine Tochter zur Welt. Es ist Februar 1945. Sie ist irgendwo im Thüringer Wald, wo sie das Glück hat, dass man sie und ihre Mitbewohnerinnen gut versorgt. Was auch deswegen gut und wichtig ist, weil sie sonst keinen Menschen auf der Welt hat.  Der Kindsvater hat sein Tun schon tausend Mal bereut, ihr Vater starb vor Jahren als ein spätes Opfer des ersten Weltkriegs, ihre Mutter findet ihr Handeln verwerflich.

Erst kommen die Russen, die nicht in das Heimgeschehen eingreifen, dann verhandeln die Amerikaner den Russen diesen Landesteil ab. Im Juni 1945 wird das Heim aufgelöst und die Mütter mit ihren Kindern heimgeschickt. Dieser Teil des Landes ist letztlich doch Russen-Gebiet. Und der Teil, in den meine Mutter zurückkehrte sowieso. Irgendwann später wird sie sagen: „Beinahe wären wir im Westen gelandet.“

Erst sehr viel später erfuhr ich, dass meine Schwester nicht meine ganz wirkliche, sondern eine STIEF-Schwester ist. Selbst noch, als ich ihre Geburtsurkunde und die sehr viel spätere Heiratsurkunde meiner Eltern fand, begründete die Mutter es mit den Kriegswirren.

Ich musste einiges über Dreißig werden, als mir meine Mutter erzählte, wie mein Vater 1947 , geflohen aus der Gefangenschaft, nach einer Wanderung von Tausenden Kilometern vor ihrem Gartenzaun landete, um ein Glas Wasser bat und nie wieder ging.

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Diese Dinge, Teile auch meiner Lebensgeschichte, denke ich, sollten nicht verloren gehen.

Wenn wir, die wir heute oft so behäbig, weil sicher, anderer Menschen Leben betrachten, allzu oft allzu selbstgerecht sind.

Nicht unsere eigene Aktivität macht, dass alles gut und richtig ist. Allzu oft können wir gar nichts ändern an dem, was um uns herum geschieht. Der Gedanke, wir wären unseres eigenen Glückes Schmied ist nicht nur eingebildet, sondern sehr von den Umständen abhängig.

Demnächst wird meine Schwester, eine total coole Sau, 75. Und nie, wirklich nicht einen Tag, hatte ich sie als STIEF-Schwester im Sinn.

 

 

Der macht ja nüscht, der …

Der Mensch, ob er nun will oder nicht, braucht etwas, woran er glauben kann. Er ist sozusagen genetisch dazu bestimmt. Früher war das einfach, da hatten wir Gott. (Eigentlich wollte ich ja über diesen bedauernswerten Pfarrer schreiben, der aus Playmobil-Figuren die Bibel nacherzählte, was er dann nicht mehr durfte, weil die Playmobil-Hersteller da was gegen hatten. – Ich frage Sie, was kann man gegen die Überbringung der biblischen Botschaft haben? Doch das war dann zu traurig und diesseitig.)
Aber irgendwer meinte, das sei altmodisch und schließlich seien wir so frei, dass wir alles mögliche haben könnten. Und anderes sei ja viel besser, womöglich, vielleicht.
Nunja, jedenfalls glauben die Leute nun an allerhand Zeugs und versuchen, damit glücklich zu werden: Buddha, die Macht des Profits, Tarot, Tantra, die Kabbala usw., usw., usf. Man möchte gar nicht glauben, was alles es in dieser Richtung so gibt. (Den Glauben an die Macht des Profits lasse ich jetzt mal mit Absicht aussen vor, obwohl … eigentlich hat alles – auch – damit zu tun.) Die Leute ziehen sich irgendeinen Glauben an wie morgens die Strümpfe und hoffen auf das große Glück. Sie suchen es in der Voraussage (via Glaskugel, Tarotkarten usf.), in der Liebe ( des Nächsten, sich selbst, alles Kreatürlichen) oder im duldenden Hinnehmen dessen, was sich sowieso nicht ändern lässt ( weil im nächsten Leben die große Abrechnung/ Belohnung des derzeitigen kommt). Sie glauben an allerhand, solange es nur das hiesige Jammertal erträglich macht. Dann sind sie glücklich, auf welche Art auch immer.

Um aber erst einmal solcherart glücklich zu werden, braucht man allerhand Utensilien. Zuerst einmal Bücher, die einem das neue Glück erklären. Dann mehr oder weniger Zubehör: Klangschalen, Räucherstäbchen, Wallegewänder, Armbänder, Ketten, Gebetsmatten, Bilder, Altäre undundund …  Die kaufen wir uns gerne, wenn es denn fürs Glück gut ist. Gar nicht zu reden von den vielen Spenden für all jene, die uns das Glück bringen. Wir überweisen, werfen in Opferschalen, trennen uns von unseren Haaren (nun gut, das tun nicht wir, sondern die anderen), rufen bei Fernsehsendern an.
Und während uns eine rosige Zukunft beschert wird, rattert der Zähler am Telefon.
Ein ganzer Industriezweig lebt von unserem Drang zum Glück. Weshalb es da sogar Messen gibt.
Ich war schon mal bei so einer Esoterikmesse und kann Ihnen berichten, dass die da, obwohl sie oft so tun, alle beileibe nicht von Luft und Liebe leben. Schon der Eintrittspreis war vom Feinsten. Gar nicht zu reden von all jenen, die einen hernach in ihre mit Tüchern verhangenen Budchen locken wollten, um ihre ureigenste Botschaft zu unterbreiten, was allein schon extra kostete, und ihre höchsteigenen, ganz besonderen (gesegneten!) Wasauchimmer loszuwerden.

Obwohl sie alle mehr oder weniger abgehoben grinsend da standen, wurde schnell klar, dass die Glückseligkeit ein hartes Geschäft ist.
Wer nach diesen zwei Tagen nicht die Standmiete und den Lebensunterhalt für mindestens zwei Monate eingespielt hat, ist verkehrt im Geschäft und sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob er nicht besser wieder zurück hinter den Bankenschalter geht.
Das Beste aber an diesem Tage war Dragomir(?), der mitsamt seiner gut gewachsenen entfernten Verwandtschaft aus dem ehemaligen Jugoslawien kam, wo er (so ging die Mär) mit seinen Verdiensten ein ganzes Dorf ernährte. Was Dragomir(?) machte? – Er guckte.
Was meine Freundin und mich zu dem Spruch animierte: „Der macht ja nix, der guckt ja nur.“
DAS, muss man schon sagen, ist wahre Kunst: Mit Gucken sein Geld verdienen. Und der verlangte nicht mal Eintritt, so sicher war er sich, dass die Leute seine Bücher, CDs usf. kaufen würden, sobald sie ihn erst mal beim Gucken gesehen hätten.

Dragomir kam rein, kletterte ein paar Stufen hinter einem weiß betuchten Tisch hinauf, stand da, ebenso weiß bekleidet wie der Tisch und … guckte. Mal hierhin, mal dorthin. Sehr ernst, sehr tief. Nach zehn Minuten Guckerei kletterte er wieder runter und ging.
Und damit diese Guckerei nicht allzu belanglos wirken sollte, musste man sie sich erstehen, indem man vorher sein Lebenswerk, seine Botschaft und allerhand Instruktionen („Nehmen Sie ein Bild Ihrer Lieben in die Hand, für die sie etwas erbitten wollen! Schauen Sie Dragomir tief in die Augen. Sie werden feststellen, dass er Ihnen mitten ins Herz schaut.“;) über sich ergehen ließ.
Manch einer brach währenddessen oder hernach weinend zusammen. Auch ich hatte nicht unbeträchtliche Rückenschmerzen. Denn natürlich war Sitzen obsolet. Es sollte ja weh tun, damit man offen war für welche unausgesprochene Botschaft auch immer.
Danach gingen meine Freundin und ich erst einmal in das markteigene Cafe, um uns von der Strapaze bei einem sauteuren Kaffee zu erholen. Neben uns saß eine Inderin, die stets fröhlich lächelnd nickte.

Während wir nicht ohne Häme unser tiefschürfendes Erlebnis auswerteten und eigene Pläne für ein Unternehmen „Ich gucke und verdiene damit Geld“ schmiedeten, lächelte sie immer wieder äußerst freundlich.
Erst als wir uns für eine Zigarette nach draußen aufmachten und noch einmal ebenso freundlich in Richtung der Inderin zurück nickten, meinte diese in akzentfreiem Deutsch: „Eine wirkliche lehrreiche Vorstellung, nicht wahr?“ Obwohl uns das dann doch ein bisschen peinlich war, schien sie es nicht böse zu meinen.
Woran man erkennen kann, dass solche Messen durchaus auch eine Sache für Berufseinsteiger sind. Es scheint legitim, dass man sich ein paar Tricks abguckt, um selbst ins Geschäft zu kommen.
Wenn ich bloß, verflixt noch mal, so ganz richtig tief und ernsthaft gucken könnte, hätte ich schon längst im Büro gekündigt. Aber ich fange bei so etwas immer an zu lachen.

Und beim nächsten Mal erzähle ich Ihnen von der Bekannten, die sich während ihrer Arbeitslosigkeit für einen kleinen Nebenverdienst bei diesem Tarotsender als Kartenleserin anmeldete und schon im zweiten Monat mehr verdiente als jemals zuvor.

Kaufrausch

Auch wenn das Wetter unerfreulich und die Temperaturen wieder kälter sind, kann ich mich des Eindrucks, äh … Gefühls nicht erwehren, dass der Frühling nahe ist. Was natürlich stimmt, denn es ist richtiger als noch vor ein paar Wochen.

Zudem wehte mir dieser Tage der neue Gartenkatalog ins Haus. Den ich tagelang liegen ließ, heute aber mit dem bekannten Ergebnis zur Hand nahm.

Es entzückt mich immer wieder, was alles für schöne, manchmal einfach nur merkwürdige Dinge möglich sind. Und mehr noch entzückt mich mein eigenes Entzücken, das allsogleich anfängt, zu kramen, zu planen und auch die Finanzmittel zu überschlagen. Manche Dinge sind einfach zu groß für mich, auch wenn ich sie gern ausprobieren würde. Denn ich habe nur einen (eigentlich zwei, aber der zweite zählt nicht), wenn auch nicht kleinen, Balkon. Da muss jeder Zentimeter geplant sein und Gewächse über einsfünfzig Höhe, auch wenn ich sie noch so spannend fände, kommen nicht in Betracht.

Außerdem ist die Vorstellung von einem Traumbalkon die, dass ich – wenn es denn halt soweit ist – morgens vor der Arbeit rausgehe und irgend etwas abpflücken und mir in den Mund stopfen kann. Ein Balkon wie der meiner Nachbarin, die massenhaft Gräser und Zeugs hat, kommt bei mir also nicht in Frage. Gleichzeitig möchte ich Blumen sehen, am Liebsten Rosen. Bei schlechter Stimmung auf den Balkon gehen, an einer duftenden Rose riechen (Gekaufte duften ja kaum mehr) und allen Ärger von sich abfallen fühlen … ich weiß nichts Besseres.

Und trotz dieser Pflanzwut (Kräuter müssen natürlich auch) soll da schon auch diese eine Ecke für mich bleiben, keine Pflanze, aber eine, die gerne auf Pflanzen schaut. Und auf das Schloss, das ich in Blickrichtung habe.

Und Platz für das Gästebett brauchts natürlich auch. Nicht, dass ich Gäste … , aber ich selbst schlafe in den sich häufenden heißen Nächten ganz gerne mal draußen, sehe beim Einschlafen den Mond und manche Fledermaus. Und wache morgens begeistert auf, wenn die Schwalben schon über meinem Balkon kreisen, bereits vor dem Wecker klingeln.

Aber, um auf den Anfang zurück zu kommen. Frühlings-Wunschdenken ist die eine Sache, aber wirkliche Pflanzung eine Frage des richtigen Timings. Alle Jahre wieder staune ich über den älteren (90) Nachbarn, der seine üppige Balkonbepflanzung so wahnsinnig spät nach draußen bringt. Der glaubt noch (und nicht zu Unrecht, denn lt. Wiki ist diese „Singularität“ beim Wetter real) an die Eisheiligen und würde nie etwas vor der kalten Sophie (15.Mai) nach draußen bringen, also nichts empfindlich Pflanzliches. Da bin ich kleiner Heißsporn oft schon viel weiter und gar manches Mal auf die Nase gefallen.

Ich bin halt ein Städter und habe wenig Ahnung von diesen Dingen. Und weil ich das nicht habe, orientiere ich mich. Auch zum Beispiel am Hunderjährigen Kalender, der mich aber bei meiner heutigen Kaufentscheidung sehr enttäuscht hat. Zuweilen stimmte dies und das. Zuweilen vieles nicht wirklich, aber wenigstens die Tendenz. Aber als ich heute, zur letzten Sicherheit, den Dezember 2019 nachlas, lächelte ich doch milde.

Nein, ich sah diesen Winter, der weniger einer ist als sonst einer zuvor, noch kein eines winziges bisschen Schnee, das liegen geblieben wäre. Ein paar kraftlose Flocken zwar, die sich bereits im Flug auflösten und diesen und jenen Graupel mit ähnlichem Schicksal. Und ich erlebte Stürme, die mir die Tür des zweiten Balkons aufzudrücken drohten und Wintergewitter. Aber nicht den im Kalender versprochenen Schnee. Nicht im letzten Jahr und nicht in diesem.

Dennoch habe ich lediglich die Kräuter gekauft, die ich erst einmal drinnen stehen lassen kann. Wenn´s Not tut, noch eine ganze Zeit. Den Rest bestelle ich später. Auch, damit ich weiß, ob die Erdbeeren vom letzten Jahr wieder kommen. Das taten sie schon zwei Jahre lang.

Und dennoch freue ich mich irrwitzig auf die Lieferung. Die Finger in die Erde graben, deren Duft um mich haben, diesen oft winzigen Halmen beim Wachsen zusehen, mit ihnen sprechen, sie für ihr Wachstum loben …

DAS, finde ich, ist ein guter Schritt in den Jahresbeginn; wie auch immer das Wetter wird.

 

Was für Verhältnisse!

Ich ertappe mich in letzter Zeit immer wieder dabei (und ich fürchte, meine Leser haben es auch schon gemerkt), wie ich denke: Früher war alles … eh schon wissen.

Dabei bin ich nach heutigem Verständnis nur knapp jenseits meines Zenits, mithin also nicht wirklich alt zu nennen. Eigentlich verstehe ich die Welt so insgesamt noch ganz gut, jedenfalls gut genug, um nicht mein Unverständnis als Ursache meines zeitweiligen Unbehagens her nehmen zu müssen. Und doch … ist es da, dieses Unbehagen, das mich befällt, wenn die neue Generation die einfachsten Schulkenntnisse (weit diesseits des Abiturs) verloren oder noch nie gehabt hat.

Und dabei rede ich nicht über Putzfrauen, um die ich mir keine Sorgen mache, weil sie einerseits schlecht genug verdienen, andererseits aber einen quasi krisensicheren Job haben, weil sich immer mehr Leute zu gut dafür sind, den selbst produzierten Dreck wegzumachen. Wenn da ein bissel geschludert wird, ist das angesichts der erbärmlichen Stundenlöhne nur gerecht und letztlich immer noch besser, als wenn keiner den Feudel schwingen würde.

Sorgen, echte Sorgen, denn dermaleinst (imgrunde schon jetzt) hängt unser aller Wohl und Wehe von ihnen ab, mache ich mir um unsere Führungskräfte, denen es immer öfter an den elementarsten Grundlagen fehlt.

Musste ich doch nicht heute einem solchen die Verhältnisrechnung erklären, was ja nun irgendwie Schulstoff der niederen Mittelstufe ist.

Man stelle sich vor: Ein Abteilungsleiter für irgendwas (und denke sich an diese Stelle einen Titel der auf „… mit den Stiefeln, die das Weltall betreten“ endet), welcher gedanklich nicht erfasst (und: Ich verlange nicht, dass er sich selbst hinsetzt und rechnet; dafür hat er ja seine Botengänger.), dass der Kostenfaktor immer gleich bleibt, wenn ich Kosten und Zeit zueinander ins Verhältnis setze. Soll heißen: Ob ich nun das Gehalt eines Angestellten durch 30 Monatstage rechne oder aber den Jahreslohn desselben durch 360 Tage des Jahres, kommt so ziemlich genau auf das Gleiche raus. Selbst wenn ich korrekter Weise die 5 Kalendertage dazu packe, die so ein Jahr eben mehr hat als ein 30-Tage-Monat …

(Obwohl, das leuchtet mir ein, dieses Beispiel hinkt, weil der Arbeiter/ Angestellte als Kostenfaktor immer wegkürzbar, sprich: kündbar und also einzusparen ist. Aber darum ging es heute nicht.)

Sie verstehen, was ich meine.

Berechnungen, von denen ich unterstelle, dass sie irgendwie jedermanns Einkauf nahezu täglich begleiten. Weil wir ja doch Bescheid wissen und nicht blöd sind. Dass im übervollen Regal die Dinge irgendwie alle die gleiche Preislage haben, heißt ja nun nicht, dass sie gleich viel kosten. Vielmehr sollten Gewicht, Anzahl oder so eben ins Verhältnis gesetzt werden zum Preis. Wenn mein Lieblingsbrot plötzlich billiger geworden ist, tue ich gut daran, mal zu gucken, ob noch genau so viel drin ist wie zuvor. Denn Unternehmer sind keine Wohltäter. Echte Preissenkungen gibt’s nur, um die anderen vom Markt zu schubsen. Hat das geklappt, wird das Krams plötzlich sehr viel teurer. Und wir beißen die Zähne zusammen und kaufen trotzdem oder orientieren uns um.

Was diese Spitzenkraft des heutigen Tages anging, ein Vertreter von vielen, die vor Selbstbewusstsein und Geltungsdrang nur so strotzen, bei denen aber hinter den Kulissen dann doch nicht so viel los ist, schwanke ich – wie so oft bei ähnlichen Gelegenheiten – zwischen zartem Zorn (Warum hast du deinen Kindern DAS nicht mitgegeben? So clever wie der sind die allemal.) und mildem, beinahe mütterlichem Lächeln (Es muss doch anstrengend sein, immerfort dieses oder jenes Manko zu überspielen und sich unverbrüchlich von sich selbst überzeugt zu geben.).

„Des Kaisers neue Kleider“ fallen mir dabei ein. Und mir kommt der Gedanke, dass Menschen, die immerfort mit ihrer Optik befasst sind, unmöglich auch noch die Zeit und Kraft (von den Fähigkeiten ganz zu schweigen) haben können, Konzerne und Länder zu regieren.

Wo, frage ich mich, sind die Kinder (eines würde ja reichen), die so aufgeweckt sind, auszusprechen, was zu sagen längst Not tut:

„Aber er hat ja gar nichts an!“