La Donna Mobile

Nein, nein, und nochmals nein.

Ich rede heute nicht und niemals wieder über Corona oder das, was es mit uns macht. Nicht über den Mangel an Sozialkontakten, nicht über Mütter und Großmütter, die an ihrem Geburtstag froh sein müssen, wenn Kinder und Enkel anreisen, um für zehn Minuten vor dem Balkon zu stehen. Nicht über Home-Office und langsam dahin schleichende Technik.

Über all das rede ich nicht.

Sondern über Opern, die ich eigentlich nicht mag.

Aber … einst sagte mir jemand, dass gewöhnungsbedürftige Musik sich mit der Häufigkeit des Hörens in unsere Ohren schleicht. Und zwar dauerhaft. Was durchaus bedeuten kann, dass wir von Jahrzehnten oder beinahe einem ganzen Leben reden.

Ich also mag Opernmusik nicht. Weil ich es albern finde, wenn sie – sei die Attacke auch noch so rabiat gewesen – dort minutenlang(!) sterben. Und dabei die Kraft haben, das singend zu begleiten. Im Ohr habe ich dabei wahlweise einen Bass, allenfalls Bariton, der im Dutzend verkündet, und zwar singend: „Ich sterbe! Ich steeerbe! Ich steeeeerbe!“

Na, Sie wissen schon.

Was natürlich albern ist.

Denn wer so lautstark sein Sterben verkünden kann, kann so halb- oder beinahe-tot ja nun nicht sein. Denn dieses Gesinge kostet allerhand Kraft.

Aber, klar, das ist nur eine Analogie. Ich kenne keine Oper, in der jemand singt, dass er stirbt. Aber es könnte durchaus sein, weil … in Opern singen sie ALLES. Wären sie so drauf wie wir das heute sind, sängen sie wohl auch: „Mir sitzt ein Puuups quer!“

Ungemocht oder nicht – der Wiedererkennungsfaktor (s.o.) tut das Seine. Und irgendwann haben wir das Gefühl, dass diese Sache, so blöd wir sie einst fanden, so schlecht dann auch wieder nicht ist.

In meiner Kindheit wohnte über uns Familie R., die aus Mutter (um die 80) und Tochter (um die 50) bestand und ein Klavier und einen Plattenspieler hatten zu einer Zeit, wo es in der Nachbarschaft weder das Eine, noch das Andere gab. Ich erinnere nicht viel Klaviergeklimper, aber dafür sehr viel Opernmusik. Von Schallplatten.

Die Wände und Decken waren nicht sonderlich dick.

Und ich erinnere, dass die Leute damals noch ziemlich häufig Operetten mochten. Dieser Kerl mit seiner Sendung „Erkennen Sie die Melodie“ wusste, worauf er setzte. Die Leute kannten die Melodien irgendwie alle. Freilich war das das leichtere Fach. Und im Gegensatz zu den Opernleuten durften die aus der Operette manchmal sogar einfach nur reden. Das taten die in der Oper ja nie, weil sie eben ALLES sangen.

Die beiden Damen da über uns waren schon sehr eigen und auch irgendwie vornehm. Sie hatten nie irgendwo anders gewohnt als in eben diesem 1929 gebauten Haus, was mir besonders auffiel, als ich mit der Tochter, die nach dem Tod der Mutter eine kleinere Wohnung suchte, tauschte. Diese war mit dem Umzug, wer konnte es ihr verdenken?, haltlos überfordert, und froh über jede Sache, die sie in der alten Wohnung zurück lassen konnte. Darunter das Klavier, das bespielen zu können ich mich als Kind nach oben fragen zu gehen getraut hatte. Mit wenig Erfolgt. Die alte Dame sah mir wohl an, wie wenig ernsthaft mein Interesse war. Ich hätte, ihrer und jeder anderen vernünftigen Meinung nach, Unterricht nehmen sollen, um mir den Zutritt zu verdienen.

Dass das Klavier dann doch bei mir und später beim Kochduell (Ich hätte heulen können, als ich es in einer Sendung aus meiner Heimatstadt sah!) landete, wäre ihr wahrscheinlich nie in den Sinn gekommen.

Inzwischen trage ich diese und andere Sachen mit Fassung, auch wenn ich noch heute stolz auf dieses kleine Mädchen bin, das sich am roten fauchenden Kater der Nachbarn schräg drüber vorbei zu der durchaus distanzierten Dame von oben wagte, um, deren stets kläffendem Dackel trotzend, die Frage nach der Klaviernutzung vorzubringen.

Das Klavier, das sich ein paar Erwachsenenjahre in meinem Besitz befand, machte weder aus mir eine Virtuosin, noch meine Tochter, die ich tatsächlich zum Unterricht schickte, glücklich. Nach weniger als einem Jahr erklärte mir die Lehrerin, dass es schade ums Geld sei und vielleicht auch nicht so schön, mein Kind zu etwas zu nötigen, was ihm selbst so gar nicht läge.

Und vielleicht sind DINGE, die wir für unsere Kreativität benötigen, ja am Ende auch gar nicht so furchtbar wichtig. Ein Klavier, Kreuzspannung, übrigens mit einem Riss hinten, der bei irgendwelchen Transporten der Funktion durchaus hätte abträglich werden können, macht nur den glücklich, der sich danach sehnt. Sehnsucht war da keine, nur ein Ehemann, der gelegentlich „Für Elise“ darauf spielte, was so ziemlich das Einzige war, was er beinahe fehlerlos spielen konnte.

Erfreuen wir uns also an den Dingen, die wir bei und in uns haben. Zum Beispiel die Resultate des schwesterlichen Gesangsunterrichtes. Klassisch, natürlich, wo man lernt, die Töne nicht nach oben zu quälen, sondern, von oben aufzusetzen.

Was mir heute die „La Donna Mobile“ in den Kopf und auch die Stimmbänder schickte, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich fand, ich habe das, ohne je selbst Gesangsunterricht gehabt zu haben, gar nicht so übel gemacht.

Und wenn es meinen Nachbarn nicht gefiel … mir doch egal!

 

 

 

Die Welle

Es gab eine Zeit, in der ich von Bildern träumte.

Was kein Wunder war, denn vorm Einschlafen dachte ich an das Bild, das ich gerade malte. Ich ging Schritt für Schritt durch, wie ich es anfangen würde. Und ich dachte, fühlte dabei, was für eine Freude es sein würde, wenn es in der Praxis so gelänge, wie ich Anfängerin mir das im Vorhinein vorstellte.

Und manchmal wachte ich morgens lachend auf, weil ich gerade von irgend einem Bild geträumt hatte, das mir ganz schrecklich gut gelungen war.

Mein ganzes Leben schien in dieser Zeit nurmehr aus Bildern zu bestehen. Ich machte morgens vor der Arbeit noch ein paar Pinselstriche, die mir in der Nacht als ganz wichtig eingefallen waren. Ich freute mich nach der Arbeit auf die Staffelei. Und oft musste ich mich mit dem Gedanken an die Arbeit am nächsten Tag von da losreißen. Nicht selten, um in der Nacht aufzuwachen, weil ich irgend etwas ganz Wichtiges am nächsten Tag wahrscheinlich vergessen haben würde. Manchmal, im Sommer, sah ich da vom Atelier aus die Sonne aufgehen und haderte mit mir, ob ich vor der Arbeit noch eine Stunde schlafe oder mich gleich fertig mache.

Auch wenn ich nach mehr als zehn Jahren glaube, noch immer nicht wesentlich mehr als ein Anfänger zu sein, habe ich mich doch an bestimmten Themen abgearbeitet. Gesichter kann ich ganz gut. In der Zeit mit dem Grafiktablett war ich fasziniert, was da so alles geht.

rote haare alte frau

Aber es gibt auch eine Menge Themen, an denen ich mich über die Jahre immer mal wieder abarbeite, ohne mehr als nur Zufallserfolge zu haben.

Wasser und Himmel sind solche Sachen. Wie malt man das, ohne dass es wie ein Kinderbild aussieht?

Nach meiner Erfahrung, vielleicht auch MIT (nur) meiner Erfahrung, malt man solche Bilder am Besten großzügig, irgendwo am Rande des Abstrakten.

wasser 2

wasser 1rauschendes meer

Immer dann, wenn es Kleinpusselig wird, beginnen die Probleme.

wasser 3

wale

 

Entweder es sieht WIEDER wie ein Kinderbild aus (Wobei, das mal angemerkt, ich nichts gegen Kinderbilder habe. Sie sind echt und sagen viel aus. Aber irgendwo muss man doch den Unterschied zwischen dem, was Kinder oft sehr intuitiv machen und dem, was nach über zehn Jahren intensiver Übung passiert, unterscheiden können.)  oder man pusselt sich dumm und dusslig. Dafür bin ich zu ungeduldig. Und ich denke, es muss irgend einen Mittelweg geben.

Ich sah mal das Bild von einem im Internet (und ich find´s ums Verrecken nicht; soviel dazu, dass das Netz nichts vergisst), der hat eine große schwarze Welle gemalt. EINE einzige Welle. Links oben im Bild ein graues Stück Himmel. Man sah, dass es ein übler Tag war, an dem man, in welcher Art Schiff auch immer (Einmal war ich bei hohem Wellengang auf der Überfahrt von Kiel nach Norwegen. In der Bar des Schiffes schafften es nicht einmal die sicherlich geübten Kellner ohne zu schwanken und ohne Bruch die Bestellungen an die Tische zu bringen. Am nächsten Tag hörte ich, die Wellen seien um die zehn Meter hoch gewesen. Das also braucht es, um ein Hochhaus auf dem Wasser unruhig werden zu lassen.) lieber nicht auf dem Meer unterwegs sein wollte, wenn man nicht muss.

Der Maler, der das, was schon sehr nach einem Foto aussah, gepostet hatte, schrieb – wenn ich mich recht erinnere – er male da schon ein ganzes Jahr dran. Eine für mich vollkommen unvorstellbare Sache. Natürlich hat der inzwischen auch andere Sachen gemacht, nehme ich an, vielleicht auch andere Sachen gemalt. Aber sich unentwegt wieder an dieses eine Bild zu setzen und noch einmal und noch einmal …

Als ich ganz genau hinsah, begann ich zu verstehen. Diese Monsterwelle neben etwas grauem Himmel war ja nicht nur eine schwarze Wand, sondern man konnte erkennen, wie diese große Menge aufgepeitschtes Wasser sich anhob zu einer riesigen Woge, die ganz langsam abfiel und in vielen kleinen Wellentälern herabsenkte. Die Kraft von Wind und Wasser waren so groß, dass kaum Gischt entstand (ein Mittel, das Gefälligkeitsmaler oft mit viel Gefühl in ihre Meeresbilder einarbeiten; auch ich bin davon nicht frei, obschon Gischt auch eine einzige Kleinpusselei ist). Majestätisch also senkte diese Monsterwelle sich herab in ein Wellental, während unter dem grauen Himmel das nächste Monster sich anzubahnen schien. All das in feinsten Nuancierungen aus Schwarz und weiß. Auch der Himmel natürlich war nicht homogen grau, sondern ein aufbauschendes Unwetter in nur wenigen Nuancen. Jedoch gerade die ganz wenigen Nuancen machten die Szenerie so bedrohlich.

Anfänger wie ich neigen dazu, in so ein Wasser oder einen Himmel wahnsinnig viel an Farben hinein zu interpretieren. Was zu unterschiedlichen Zeiten sicherlich stimmt. Aber selten zur gleichen Zeit. Die Kunst liegt, so ahne ich wenigstens theoretisch, darin, die zarten Übergänge für eine ganz bestimmte Stimmung zu erfassen.

Jetzt, da ich das alles schreibe, kriege ich wieder Lust, mich an diesem Thema ein weiteres Mal zu versuchen, auch wenn ich die Ahnung habe, dass ich genauso scheitern werde wie bei all den anderen Versuchen vorher.

Die gestohlenen Worte

Menschen lieben Geschichten. Schon seit jeher. An Lagerfeuern, beim Spinnen, vor dem Schlafengehen. Ja, auch im religiösen Rahmen.

Menschen hören von anderen Menschen, ihren Schicksalen, ihren Heldentaten und sind davon so gefangen, dass sie ihr eigenes kleines, oft nicht sehr spannendes Leben für einige Zeit vergessen, aber auch gleichzeitig für ebendieses kleine Leben inspiriert werden. Wenn DER das konnte, kann ich vielleicht nicht das genau Gleiche, aber doch etwas ähnlich Heldenmutiges.

Und dieser Heldenmut braucht, das ist klar, große Worte, GANZ GROSSE Worte. Die den nötigen Rahmen schaffen, beeindrucken, Anreize liefern undundund …

Große Worte fallen nicht vom Himmel. Vielmehr fügen große Dichter und Denker sie auf gekonnte Weise aneinander. Und wenn sie das gut machen, prägen sich uns die ganz großen Worte tief in unser Denken ein.  Manch einer mag sogar so beeindruckt sein, dass er ein paar von diesen Worten und Sätzen auswendig lernt, um sie sich selbst und auch anderen bei passender Gelegenheit vorsagen zu können, auf dass sie nicht minder beeindruckt sein mögen.

Aber es gibt auch die anderen großen Worte, die sich uns von ganz allein einprägen, die sich vielleicht sogar ins Gedächtnis ganzer Generationen einprägen.

Das geht von „Wollt ihr den totalen Krieg“, was zwar keine Sternstunde unserer Geschichte war, aber Zeugnis über eine Zeit ablegt, bis hin zu „Ich bin ein Berliner.“, womit Kennedy nicht das Bekenntnis ablieferte, Einwohner dieser Stadt oder auch nur ein Fettgebäck zu sein.

Das mediale Zeitalter, in dem wir jederzeit irgendwelche Filme, Geschichten mit Bildern, sehen können, allerdings bewirkt einen Effekt, den die Menschen damals am Spinnrad nur schwer haben vorausahnen können: Worte werden flach.

Da, wo wir seinerzeit in tragischen Situationen (einer ist bei einem Unfall gestorben) schwerst nach Worten rangen, weil solche Dinge eben nicht so oft passieren und man gar nicht wirklich weiß, wie man dem verbal angemessen begegnen kann, ist dank medialer Überflutung eine beliebige Abrufbarkeit aller möglichen Floskeln entstanden, die ich wirklich erschreckend finde.

Was denn ist angesichts einer solchen Situation, die wir medial schon x-mal sahen, noch der Satz „Es tut mir so schrecklich leid.“ wirklich wert? Wir können ihn in Filmen direkt voraussagen, weil so viel anderes ins Textbuch gar nicht passen würde. (Und erschrecken angesichts der tatsächlich im Film ausgesprochenen Worte darüber, wie voraussehbar doch unser alltäglich Bestürzung über irgendwas ist.)

Mittlerweile ist praktisch JEDER, dem angesichts eines tragischen Ereignisses spontan ein Mikrophon vor den Mund gehalten wird, gewappnet, eine von diesen Floskeln, die wir alle nur zu gut kennen, ebenso spontan rauszuhauen. Wir wollen keinen totalen Krieg, sind auch keine Berliner, aber jederzeit „total betroffen“, sogar dann, wenn wir erst durch den Interviewer erfahren, was da gerade passiert ist.

Manchmal, denke ich mir, ist weniger mehr.

Der Mann, der angesichts eines tragischen Ereignisses dem Reporter abgewunken hat, weil er nichts sagen konnte und die Tränen in den Augen hatte, hat mich viel mehr beeindruckt, als all die Wichtigheimer, denen die Worte zwar glatt über die Lippen gingen, die aber keinerlei wirkliche emotionale Regung dabei zeigten.

 

 

Wusstet ihr schon …

… , dass man in Zeiten, in denen Klopapier praktisch nicht mehr zu kriegen ist, doch noch welches kaufen kann? Ich habs getan und selbiges sogar nach Hause geliefert bekommen. Von Amazon.

Jajaja, böser Konzern, ich weiß. Und eigentlich geht Corona ja nur höchst selten mit Durchfällen und also erhöhtem Verbrauch dieses Stoffs, aus dem der Notstand kommt, einher.

Gleichwohl braucht man es und tut gut daran, die Wiederherstellung der Lieferketten nicht abzuwarten. Denn manches KANN eben nicht warten.

Amazon ist auch die Firma, die mir – ich schwöre, das ist Zufall und keine Absicht – dabei hilft, dem zweiten Klo-Notstand abzuhelfen. Denn meine Klobrille brach dieser Tage. Nicht weil, obwohl das stimmt, ich so wahnsinnig zugenommen haben in Zeiten, in denen Essen eine größere Rolle als sonst zu spielen scheint und ein Ausgleich nur unzureichend möglich ist.

Ich blicke, und zwar schon in ganz wenigen Tagen, der Lieferung eines preis- und komfortmäßig hervorragenden Sitzes entgegen.

Ganz gewiss ist es kein Zufall, dass Amazon dieser Tage Rekordumsätze meldet und ankündigt (in den USA) 100 000 neue Stellen schaffen zu wollen. Im Gegensatz zu Deutschland liefert Amazon in den Staaten selber aus. Das heißt, dass in den z.T. sehr stark von Corona-Infektionen befallenen Städten ein weitaus größeres Ansteckungsrisiko für die Mitarbeiter besteht als anderswo. Sie erhalten bislang noch keine Schutzausrüstung, obwohl A. die Verteilung von Schutzmasken angekündigt hat. Und jene, die es erwischt hat, kriegen vom Arbeitgeber 2 Wochen (bezahlte?) Abwesenheit zugebilligt, wenn sie ihre Infektion nachweisen können bzw. sich in nachgewiesen notwendiger Quarantäne befinden.

Ist halt nur blöd, dass es für den Nachweis ausreichende Tests braucht, die dort wie anderswo nicht zur Verfügung stehen. Und in den USA, wo man insgesamt reichlich spät reagiert hat, verfolgt keiner so wirklich mögliche Infektionswege, so dass vermutlich nur sehr wenige sich in angeordneter Quarantäne befinden. Wie ja überhaupt das dortige Gesundheitswesen sehr von der Geldbörse der Betroffenen abhängt.

Und ich, der es im heimischen Allerlei ja doch ziemlich gut gehe, kaufe bei diesem Konzern, dem außer seinen Profiten so viel nicht wichtig ist, Klo-Zubehör.

Ich schäme mich.

Aber nur ein bisschen.

Schließlich: Warum denn liefern wir uns der Allmacht ebensolcher nicht gerade menschenfreundlichen Konzerne aus?

ein schelm, der schlimmes dabei denkt

ich sah heute einen bericht über eine demo in berlin. die demonstranten hielten sich an die vorgaben, sprich: sie hielten den mindestabstand ein. aber sie begehrten, ihre meinung äußern zu dürfen.

die polizei löste die versammlung auf, obwohl keiner von denen etwas falsch gemacht hat. aber die polizei geht nicht in die s- und u-bahnen ihrer stadt, wo die leute den mindestabstand nicht einhalten können, weil der fahrtakt verlängert wurde.

böse zungen behaupten, dies sei das ende der demokratie.

mir wurde dieser tage gesagt, dass ich wohl ein problem mit autoritäten haben. und derjenige hat recht. ich kenne es nur zu gut, wie es sich anfühlt, wenn einem rechte beschnitten werden. und ich bin nicht einmal liberal. es gibt, im gegenteil, einiges an den liberalen, das ich wenig bis gar nicht schätze. aber ich habe einen feinen geruchssinn dafür, wenn menschen eingeschränkt werden ohne tieferen sinn.

und ich wittere auch, wenn das klima bereit gemacht wird für denunzianten in ganz alltäglichen situationen. leute, die es mögen, sich wichtig zu machen und auf die seite der stärkeren zu begeben.

als neulich, in dieser supermarkt-situation diese kleine kgb-geübte russin mir etwas von einer strafe erzählen wollte, fand ich es noch lächerlich. am abend erzählte mir meine tochter, dass es stimmt: halte den abstand einmal nicht ein und du musst zahlen.als ich heute im krankenhaus war, um mein rezept für das nächste quartal zu holen, traf ich auch auf so eine, die alle möglichen dinge einwandte, ehe sie mich durchließ.

lauter menschen, die an ihrer neuen wichtigkeit zu wachsen scheinen.

ich hab, verdammt, in meinem leben zu oft solche leute getroffen, um sie ernst zu nehmen. das tun sie ja schon selbst. viel zu sehr und auf eine beängstigende weise.

ich weiß nicht, warum mir DAS dann so viel wichtiger ist als die angst vor einer vermutlich realen sache.

 

 

Ich muss sagen, dass dieses verfickte, kleine stachlige Scheißendreck-Corona-Dings mir mörderisch auf den Nerv geht.

Noch am wenigsten, weil ich seinetwegen so viel zu Hause hocken muss. Denn ich bin von Haus aus ein Stubenhocker, der verdammt viele Ideen hat, was er mit seiner Zeit anfangen kann. Obwohl ich andererseits auch gern auf der Arbeit bin.

Dass ich morgens etwas länger schlafen kann, ehe ich den Dienst-PC im Schlafanzug anschalte, versüßt mir die Sache ganz und gar nicht. Im Gegenteil bin ich dahinter gestiegen, dass ich die Sache erst richtig ernst nehme, wenn ich die Morgenrituale mit Duschen und ordentliche Sachen anziehen hinter mich gebracht habe. Vielleicht nehme ich die Sache sogar ein bisschen ZU ernst. Denn zu Hause zu arbeiten heißt nicht, kein systemrelevanter Mensch zu sein. Im Gegenteil springt meine Chefin mir via Telefon zunehmend auf den Nerven rum, weil ich – natürlich! – viel mehr arbeiten sollte als ich das tue. Was ich gern täte, wäre die verf… Technik nicht so verdammt langsam. Geht man zum Feierabend jedoch nicht nach Hause, weil man da schon ist, ist die Versuchung länger zu arbeiten, um einiges größer. Was ich nicht soll, weil im Home-Office so etwas unerwünscht, weil wenig glaubhaft ist. Dann eben nicht!

Also meide ich das, was früher mein Hobbyraum war, nun aber Arbeitszimmer ist, wie der Teufel das Weihwasser. Sprich: Alle Dinge, die ich dort täte, tue ich nun nicht mehr. Ich male nicht, ich töpfere nicht. Ich könnte nähen oder schreiben, denn die Nähmaschine steht dezent verstaut, aber griffbereit im Wohnzimmer und den privaten Laptop habe ich auf den Couchtisch verbannt. Also direkt vor meiner Nase, wenn ich auf der Couch sitze. Aber zum Nähen habe ich schon seit einiger Zeit keine Lust und worüber, bitte, schreibt man in verfickten Corona-Zeiten? Wo eh schon alle Welt über nichts anderes spricht?

Die Tatsache, dass die Leute immer verrückter werden, als würde die Krise immer gewaltiger, wenn man sie denn nur herbei redet, macht die Sache ja nun auch nicht besser.

Jaja, ich oute mich als Ungläubige. Weil ich es eben mit den Zahlen haben. Die ja durchaus respektabel klingen. Aber wer, frage ich, hätte in irgend einem Jahr vorher sich die Mühe gemacht, die Zahl der Influenza-Infizierten zu testen? Und die Zahl der der Influenza-Toten schlechter Jahre haben wir auch in Woche drei des Spektakels noch nicht erreicht. Ich könnte mich nicht erinnern, dass irgendwer früher so ein Theater veranstaltet hat, dass soundso viele Menschen an Influenza verstorben sind. Das war bestenfalls eine Randnotiz auf Seite 5 der Zeitung. Und in den Fernsehnachrichten kam es gar nicht vor.

Jajaja, ich bin Risikogruppe, wie mir meine Chefin offenbarte, als sie mich förmlich zum Zuhause-Arbeiten zwang, was – wir ahnen es – erst nach Tagen gelang. Eine Aussage, die sie am Liebsten zurücknehmen würde, läge es in ihrer Hand, weil … siehe oben.

Aber letztlich bin ich doch froh, nicht auf Arbeit gehen zu müssen, weil sie, meine Kollegen, in den letzten Tagen, die ich da war, auch schon hysterisch wurden und hektisch zurückwichen, wenn man ihnen aus Versehen näher als drei Meter gekommen ist.  Hier, zu Hause, immerhin habe ich formidable 80 Quadratmeter für mich ganz allein. In denen keiner springt, sobald ich komme. Weil keiner da ist.

Allerdings habe ich auch derzeit kein Fernsehprogramm, weil dieses dusslige Kabelunternehmen, einstmals U…. jetzt V… , nicht in der Lage ist, die vielen Fernsehhaushalte mit eben dem zu versorgen, was sie bezahlpflichtig versprachen. Dem lieben Herrgott sei Dank für Streamingdienste, Amazon und Netflix, welchselbe allerdings nicht so viel Nachschub liefern können wie ich ihn gerade eben benötige.

Warum, frage ich mich, blockiert mich diese ganze Situation, die ich in anderen Zeiten förmlich herbei gesehnt hätte, in meiner Kreativität so sehr? Ich könnte, wenn ich denn könnte, so vieles tun. Aber in meinem Inneren herrscht Leere.

Die im übrigen sehr schnell hochköchelt.

Zum Beispiel bei dieser Zwergen-Russin, die sie als Abstandswächter im Supermarkt eingestellt haben. Sie führt sich auf, als hätte sie eine KGB-Vergangenheit. Auf so etwas reagiere ich ja total allergisch. Besonders, weil ich diese ganze Panikmache (s.o.) für vollkommen überzogen halte. Aus gutem Grund. In unserem Krankenhaus (Kreiskrankenhaus) liegen gerade mal 6 (in Worten: sechs) Corona-Infizierte mit mittelschweren Verläufen. Soweit ich weiß, ist noch nicht ein Beatmungsgerät zum Einsatz gekommen.

Die Leute, hörte ich letzthin, hätten neuerdings eine tiefe Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land. Das ja so viel weniger gefährlich ist. Und auch so viel netter. Weil man da im Quarantäne-Fall wenigstens Gärten hat an seinen Häusern.

In Wahrheit spielen die Gärten natürlich eine untergeordnete Rolle. Die Menschen auf dem Land sind schlichtweg einfacher zu disziplinieren. Auch wenn der Landrat, Pfarrer, Bürgermeister, Arzt und Apotheker (in meinen Anfängen hier waren das die Honoratioren mit einem allwöchentlichen Stammtisch) heute nicht mehr die gleiche Rolle spielen wie seinerzeit. Inzwischen, das ist geblieben, erziehen sich die Leute nurmehr gegenseitig. Was ja auf einen geborenen Landmenschen Eindruck machen mag, jedoch einen Stadtmenschen ohne jeglichen Respekt vor irgendwas (dazu zähle ich mich) lediglich verärgert.

Wie war der Titel des Blogs?

Ach, ich hab ja noch gar keinen. Was womöglich daran liegt, dass mir momentan nur verbaler Unflat in den Sinn kommt. Lassen wir es also mit dem Titel.