Das Versagen der Autorität oder: Warum emotionale Intelligenz oft eine Einbahnstraße ist

Ich gehöre zu der Generation, in der die Kinder, um sie zu disziplinieren, nieder gehalten wurden. So vom Selbstbewusstsein her. Als ich, nur so als Beispiel, vor dem Spiegel stand und mich fragte, wie ich wohl aussehe, sagte meine Mutter, während sie zum zweiten Mal vorbei ging: „Du stehst ja immer noch da. Sooo schön bist du auch wieder nicht.“

Daran, dass ich dass auch nach fünfzig Jahren noch weiß, lässt sich erkennen, wie nachhaltig das auf mich gewirkt hat. Nämlich so, dass ich mir schwor, dass ich, wenn ich einmal Kinder haben würde, SO ETWAS garantiert nie sagen würde, auch wenn ich mein Kopfgeschehen und meinen kritischen Verstand niemals nie ausschalten können werde. Meine Kinder würden immer die schönsten, klügsten und so fort sein. Auch wenn das vielleicht, womöglich an der Realität einen kleinen Ticken vorbei ging. Wer, wenn nicht ich, so als Mutter, hätte sonst die Pflicht, Kinder auf einen Weg zu schicken, der ihnen gut tut?

Dass ich halbwegs erfolgreich war in diesem Unternehmen stellte sich dieser Tage heraus, als meine Tochter, Anfang 40, Zufriedenheit mit sich selber äußerte. Dass sie obendrein Anfänge einer Midlifecrisis zeigt, liegt in der Natur der Sache, nicht an mir. Ich versuchte sie damit zu trösten, dass auf MEINER Arbeit ALLE jünger sind als ich; bei ihr sind es nur die Hälfte oder so. Für den Rest: Jeder ist seines Glückes Schmied und wer meint, er müsse mit Anfang 40 sich noch so fühlen wie mit Anfang 20, der hat das Eine oder Andere noch nicht verstanden. Ich sagte so etwas wie „in Würde älter (nicht alt!) werden“, weil es z.B. hochgradig albern ist, in dem Alter noch auf den süßen Blondi-Faktor zu setzen oder überhaupt noch meinen zu wollen, das lustige Anfang20-Geplapper käme mit über vierzig noch an.

Aber mit all dem bin ich etwas von dem abgekommen, was ich eigentlich sagen wollte. Nämlich: Es ist sehr gut, wenn Kinder Eltern haben, die zu ihnen stehen und ihnen jederzeit Zuspruch bieten. Gleichwohl finde ich es erschreckend, dass – und da gehe ich mal davon aus, das die mir berichteten Dinge, auch die in Filmen gesehenen, den Tatsachen entsprechen – Kinder in diesem überbordendem Selbstbewusstsein, das sie Dank ihrer wohlmeinenden Eltern haben, so furchtbar respektlos mit ebenjenen umgehen.

Auch ich, wie meine Mutter schon, war erstaunt, wie hellsichtig Kinder in der Pubertät sein können. Sie hauen da so Dinger raus, die erschreckend wahr sind, und fühlen sich ganz cool damit, nötigen ihren (heutigen) Eltern damit sogar Entschuldigungen ab für … ähhh, Privatsphäreverletzungen und alles Mögliche andere, ohne selbst die Privatsphäre ihrer Eltern oder mindestens sie selbst zu respektieren.

Manchmal, wenn ich Menschen meiner Kindergeneration von ihren Kindern reden höre, und das klingt zuweilen einigermaßen unglücklich, weil sie so ratlos sind, wünschte ich mir, dass sie etwas mehr von uns gelernt hätten. Wir bauten unsere Kinder auf, ohne uns alles von ihnen gefallen zu lassen. Wir ERZOGEN noch und setzten Grenzen. Nämlich die, wo es für uns nicht hinnehmbar war. Weil Respekt eine beidseitige Angelegenheit ist. Man kann nicht dem Einen Respekt entgegen bringen, ohne von ihm gleichermaßen respektiert zu werden. Dann nämlich hat der Andere nicht genug verstanden.

Als ich ohne Maske einkaufen ging …

… ging ich nicht zurück, um die Maske zu holen.
Warum hätte ich das auch zu tun sollen? Ich hatte sie ja um den Arm gehängt.
Ich ging durch den Laden.
Und merkte nichts.
Zwei Leute sprachen mich an, irgendwelcher Nebensächlichkeiten wegen. Ich antwortete freundlich.
Mehrere nickten mir freundlich zu; vielleicht haben sie auch gelächelt.
Die Kassiererin hinter der Plexiglasscheibe tat, was sie tun musste, wie immer.
Und während ich meinen Rieseneinkauf im Trolley verfrachtete, lächelte der Mann hinter mir. Das sah ich sogar unter der Maske.
Ich lächelte zurück. Das konnte jeder sehen.

Als ich ohne Maske einkaufen ging, war ich ohne Arg. Ich trug die Maske am Arm, wäre furchtbar erschrocken, wenn mich jemand auf mein Fehlverhalten hingewiesen hätte. Bin furchtbar erschrocken, als ich meines unmaskierten Lächelns gewahr wurde. Fand es in dem Moment jedoch blöd, die Maske auf den letzten drei Metern noch aufzusetzen. Packte also unmaskiert meinen Einkauf ein und lächelte vor mich.

Weil die Leute mich vergessliches Wesen behandelt hatten wie eine Rebellin, die sie selbst gern wären.
Ich hoffe natürlich, dass keiner meinetwegen Schaden genommen hat.