Handwerker-Speech

Angefangen hat alles mit dem bestellten Big-Sofa und dem R., der – aus welchen Gründen auch immer – irgendwann vor nicht allzu langer Zeit gesagt hatte, DAS könne er gar nicht mehr gut machen. Der R. kennt mich zwar, aber doch nicht richtig, denn angesichts der für Big-Sofa erforderlichen Umstellungen waren mir die eine oder andere Möglichkeit des Wiedergutmachens dann doch eingefallen.

Dass die Lieferfirma („Extra für Sie hergestellt!“) den Termin ziemlich spontan von Anfang Dezember auf die nächste Woche vorverlegt hat, überraschte mich zwar, warf mich jedoch nicht aus der Bahn. Wenngleich ich meine Zweifel hatte, ob der R. ebenso spontan in der Lage sein würde, die sich im Zusammenhang damit ergebenden Probleme lösen zu können. Denn R. ist zwar Handwerker, aber eben nicht spontan, was ihn vielleicht zu einem typischen Vertreter dieser Spezies macht, die sich ja mit dem kurzfristigen Terminvergeben auch oft sehr schwer tut. Aber- sieh da! – nach eintägiger Wartezeit schaffte er den Rückruf. Und am Tag darauf, also heute, war er da.

In meiner Wohnung kennt er sich aus. Der bestellte Espresso stand da. Ich saß am PC, wo ich seit inzwischen sieben Monate home-office. Und ich dachte, er käme, auch angesichts der bereit gestellten Handwerkerzutaten, zurecht. Was nur bedingt der Fall war. Alle fünf Minuten stand er in meinem Arbeitszimmer, begehrte nach Konversation, tätiger Unterstützung, suchte gar nach einer Steckdose, deren Anwesenheit er eine halbe Stunde zuvor als kritischen Umstand beklagt hatte.

Er verlangte nach Schaufel und Besen, um sie hernach im Dreck zu versenken. Er beklagte sich bitterlich, dass der gewünschte Staubsauger ja seines Fußes entledigt werden müsse, ehe er sah, dass der Kerl als Handstaubsauger ausgelegt und damit durchaus brauchbar sein würde.

Er mäkelte in einem fort und auch für den neu mit Holzfolie beklebten Couchtisch gab er mir wohlmeinende Hinweise, als ob der nicht bereits – zu Aller Zufriedenheit – fertiggestellt sei.

Selten in letzter Zeit hatte ich so einen hohen Blutdruck, denn ich hatte vor lauter Eigenaktion vergessen, wie sich so ein Handwerker-Speech anhört.

Immer tun sie so, als sei alles furchtbar schwierig und alle anderen total unwissend. Immer kauen sie einem die Ohren ab und erkennen nicht, dass andere Leute auch, eben nur anders, arbeiten.

Nämlich auf meine Hinweise, dass ich nicht arbeiten könne, wenn er daneben steht und mir seine wirklich total unmaßgeblichen Handwerkerbelehrungen zukommen lässt, reagierte er nur bedingt.

Ich war wirklich, wirklich sehr ärgerlich.

Und noch viel schlimmer als mein eigenes Versagen in Sachen Contenance fand ich den Umstand, dass der R. selbst dann noch, als ich ihn freundlich, aber bestimmt, ins Treppenhaus hinaus schob, mich mit noch mehr seiner Handwerker-Ratschläge überschüttete. (Einen Moment lang dachte ich, dass ich lieber die Sache selbst hätte machen sollen, hätte ich das Zeugs gehabt, dessen es bedurfte, um das Problem zu lösen. Wie ich sowieso denke, dass es IMMER besser ist, seine Probleme selbst zu lösen, statt irgendjemandes Rat zu bedürfen, der dann unter Anfällen von Größenwahn leidet.)

Die Sache ist inzwischen um die zwölf Stunden her. Und ich denke mir, dass Handwerker (der liebe Herrgott preise sie und ihre Wichtigkeit), ihr Geschwafel (alle Anderen haben immer alles total verkehrt gemacht und nur sie selbst wissen Bescheid) als einen Bestandteil des Jobs total verinnerlicht haben.

Aber ich bin es so Leid. Noch mehr, wenn selbst Bekannte davon nicht ablassen können.

Vor Rehen wird gewarnt*

Dass ich heute kaum noch lese, stattdessen aber Hörbücher höre, ist wohl Überbleibsel meiner ersten Wohnung und der damaligen Umstände.

Da unterm Dach, in den eineinhalb Zimmern mit Küche und Klo nebenan, abgeteilt vom Wäscheboden, hatte ich nichts anderes an Außenverbindung als dieses Radio: noch mit einem grünen Auge, auch noch Holzdesign, aber in den Maßen flach, lang und schmal, dass man es auch in ein Schrankwand-Regalfach reinstellen konnte.

Es hatte etwas Heimeliges, wenn ich mit Blick auf das schlafende oder spielende Kind im Laufstall nahe dem bollernden Kachelofen die Baumwollwindeln bügelte und im Radio Literaturzeit war.

Da wurde jeden Tag zur gleichen Zeit, immer vormittags neben der Hausarbeit, eine Stunde lang aus einem Buch vorgelesen, so dass man irgendwann das ganze Buch kannte und doch nichts von der Hausarbeit versäumt hatte. Und irgendwie fühlte man sich dabei etwas weniger allein als man es nur mit dem oft schlafenden Kind gewesen wäre. Man hatte Ansprache mit erwachsenen Inhalten und auch etwas, auf das man sich am nächsten Tag schon vorfreuen konnte.

Das konnte, wenn ich zum Beispiel an die alten Russen denke, schon einmal ein paar Wochen dauern, ehe so ein Buch, mit einer Stunde täglicher Lesezeit und ohne Kürzungen oder gar Änderungen, fertig gelesen war. Denn damals war Literatur noch etwas fast Heiliges, an dem man nicht rumkritteln oder gar rumstricheln durfte. Entweder es war statthaft und es gehörte ganz gelesen oder aber eben nicht; dann nahm man es gar nicht erst auf. Und dieses Aufnehmen war, im Gegensatz zum heutigen Hopplahopp bei manchen Hörbüchern, eine sehr sorgfältige Sache, die etliche Male gegengeprüft wurde, ehe man es auf die Menschheit losließ.

Damals war noch die Zeit, in der man Menschen Geduld zumutete, ihnen aber auch für Qualitätsarbeit Zeit zugestand. Alles durfte ein wenig langsamer gehen, wenn es nur am Ende gut wurde.**

Warten-Können war selbstverständlich und gehörte zum Leben dazu.

Warten aufs Christkind oder den Geburtstag. Warten, dass man das Geld für eine Sache, auf die man sparte, zusammen hatte.

Heute wartet keiner mehr. Man kauft ein Hörbuch im Ganzen und hört, so es gefällt, alles auf einmal. Und wenn es nicht gefällt, gibt man es zurück. Kein Risiko.

Imgrunde kann man jederzeit alles gleich haben. Und weil man es kann, tut man es auch: Man holt sich, kauft sich, nimmt sich. Und jedes Warten ist zu viel. Man lebt nur ein Mal und das am Liebsten alles gleich jetzt, weil das Leben kurz sein kann, obwohl die Lebenserwartung immer länger wird. (Es ist kein Zufall, dass sich hier allerlei Phrasen zusammenballen, die gerne als Grund für Maßlosigkeit her genommen werden. Denn wer wollte schon zugeben, dass wir noch immer nur die Urmenschen sind, die sich den Bauch vollschlugen, wenn genug Essen da war, als Vorrat für schlechte Zeiten, in denen man keines hatte. Halt bloß, dass es mittlerweile längst nicht mehr nur ums Essen geht.)

Der Shutdown dieses Jahr hatte dem Anschein nach etwas Entschleunigung zurück gebracht. Aber nur dem Anschein nach. Familien mit Kindern fingen deswegen nicht wieder an Baumwollwindeln zu nutzen und zu bügeln, denn sie waren im Stress. Viele von ihnen blieben zwar zu Hause, aber während ihnen die Kinder zwischen den Beinen herumwuselten, hielten sie ihre Videokonferenzen ab oder taten, was sie sonst im Büro tun, von zu Hause aus. Gar nicht zu reden von denen, die in Kurzarbeit gingen oder arbeitslos wurden. Wenn ich Angst um meine Existenz habe, entschleunigt sich gar nichts. Die plötzlich freie Zeit wird nicht zur Muße, sondern zum krampfhaften Nachdenken darüber, wie man den Laden am Laufen hält und nicht alles zusammenbricht. Und die Schließung von Betrieben kann auch keine Qualitätsarbeit zurückbringen, wenn gar nicht gearbeitet wird.

Ein bisschen Entschleunigung, denke ich, wäre schön, wird aber nicht zurückholbar sein. Alles gleich haben, alles gleich wissen wollen. Eben mal schnell ins Netz, um einzukaufen, nachzuschlagen. Ob das, was wir da kaufen und nachlesen von wirklicher Qualität ist, wird man sehen oder auch nicht. Vermutlich haben wir uns auch damit abgefunden, dass die Qualität von Waren nicht mehr so ist, dass es für ein Leben reicht (meine Großeltern bekamen zur Hochzeit noch ein Schlafzimmer geschenkt, das bei der Haushaltsauflösung meiner Großmutter beim Sperrmüll auf der Straße landete und reißenden Absatz fand) und die Qualität von Informationen, die den heutigen Tag oft nicht überdauern, den Aufwand der großartigen Recherche nicht wert ist.

Die alten Zeiten, denke ich, werden wir nicht zurück bekommen. Und es war ja auch nicht alles nur gut. (Keiner will heute mehr bei knapp über Null pullern oder 3 Eimer Kohlen in die dritte Etage tragen.) Aber für die ganz eigene Entschleunigung kann jeder Sorge tragen, auch ohne Shutdown. Und vielleicht, wenn man nicht mehr alles mitmachen und haben muss, wird man feststellen, dass der ruhelose Geist dann endlich wieder Stille ertragen kann.

  • zuletzt gehört: „Vor Rehen wird gewarnt“ Vicki Baum; vertont 1991 vom Bayrischen Rundfunk
  • Dass allzu hohe Qualität niemandem nützt, merkten zuerst die Glühbirnenhersteller, die anfangs noch wirklich, wirklich gute Qualität erzeugten. Denn wenn die Sachen allzu lange halten, kauft ja keiner etwas Neues. http://nullisland.blot.im/%C3%A4lteste-gl%C3%BChbirne-der-welt Man traf sich dann halt und „schraubte“ etwas an der Qualität herum, dass die Dinger zum Verschleißartikel wurden.

Er musste mehrmals husten

ich mag ihn nicht. ich finde ihn verlogen, großmäulig und fange gar nicht erst an, von seinem schlechten benehmen gegen allerhand leute zu reden. er hat eine sch…einstellung in allerhand dingen und sch…wege, seine ziele durchzusetzen.

nein, ich mag ihn wirklich nicht.

ABER … ich finde es total mies, wie seit tagen beobachtet wird, was er wie tut, sagt und interpretiert.

menschen, die klug sind, werden sich schon ihren eigenen reim darauf machen. die dummen fallen vielleicht auf dieses und jenes rein. und das ist immer schon so gewesen und wird auch nicht anders durch medien, die jeden seiner schritte und huster beobachten und kommentieren.

ich habe vorhin auch gehustet, tatsächlich mehrmals. na und?

fällt euch nichts anderes ein?

ihr werdet die dinge nicht ändern  mit all dem.

und sowieso: geht all das euch etwas an?

Fritzie

oder: Die Kunst, sich in Würde vom Leben zu verabschieden

Fritzie* ist in den besten Jahren und sie fühlt sich gut.

Aber sie hat Krebs im fortgeschrittenen Stadium.

Sie versucht, ihr Leben zu sortieren. Dass sie dabei ein wenig ausflippt, bleibt nicht aus. Ihre Tagebücher zu verbrennen, ist nicht die schlimmste Aktion.

Über meine Tagebücher habe ich auch schon nachgedacht. Ein Ofen wäre natürlich praktisch. Das Leben und die Gedanken, die ich da niedergeschrieben habe, gehen nur mich etwas an. Ich bin kein Literat, der seinen Erben wichtige Botschaften damit vermittelt. Und sowieso geht niemand etwas an, was ich irgendwann gedacht und gefühlt habe. 

Aber … Tagebücher aus 25 Jahren sind eine verdammte Menge und ein hartes Stück Arbeit. Zu Zeiten schrieb ich sehr viel. Und ich weiß, dass mein Papierschredder nach nur kurzer Zeit schlapp macht. Da ist auch noch dieses manuelle Ding, bei dem ich aber vermutlich eine Sehnscheidentzündung kriegen werde. Gar nicht zu reden von händischer Reißtätigkeit, die mit zunehmender Zeit unsauberer und großflächiger (sprich: für Fremde lesbar) wird.

Ich sterbe – hoffentlich – noch nicht so bald. Doch es gibt viel zu tun.

Verdammt!

* Miniserie im ZDF (komplett in der Mediathek)