Julie und Julia

Zuerst einmal: Mein Läppi stellte sich tot. Was mich in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Nicht nur, weil es von eben auf gleich passierte (gerade hatte ich noch geschaut und einen Kommentar begonnen und dann ging gar nichts mehr), sondern weil ich meinen Läppi mag. Ebenso wie ich die Ungewissheit nicht schätze, wo man, wenn denn die alte Liebe erlischt, einen neuen her kriegt. Die Läden sind ja zu und im Netz bestellen kann nur, wer einen Läppi hat.

Aber ich hatte nicht viel Zeit zum wehklagen, denn der Postmann klingelte. Ein Mal. (Was ich für Filmfreund betonen möchte.) Und er brachte mir ein Päckchen, das ich sofort als Buchsendung identifizierte. Eine solche stand noch aus, war aber gerade in den letzten Tagen als versandverzögert ausgewiesen worden. Aber Dinge ändern sich, so dachte ich.

Erst nach dem Öffnen wurde klar, dass es sich nicht um die erwartete Buchsendung handelte, sondern um eine ganz unerwartete.

Als nämlich Sohni letzthin hier war, sprachen wir – aus welchen Gründen auch immer – über das Kochen und unerfüllte Wünsche. Eigentlich aber über Julia Child, die vor 50 oder 60 Jahren als Diplomatengattin von den USA nach Frankreich gekommen war. Und sich so sehr fürs Kochen interessierte, dass sie dort eine Kochschule besuchte und alles von der Pike auf lernte. Schmerzhaft zuweilen, weil es nicht so einfach war, sich gegen all die Männer durchzusetzen, genüsslich, weil die französische Küche eben gut ist.

Sie tat sich mit anderen zusammen, um ein Kochbuch zu schreiben. Für die „amerikanische dienstbotenfreie Frau“. Es dauerte seine Zeit, ehe sie sich durchsetzte, aber ihr Buch ist inzwischen ein Klassiker, weil sie nicht nur Rezepte beschrieben hat, sondern Schritt-für-Schritt-Erklärungen für den totalen Tollpatsch lieferte.

Als solchen betrachte ich mich zuweilen auch. Zumindest was die höhere Küche angeht. Und ich träume schon lange von jemandem, der mir größere Koch-Zusammenhänge erklärt. Aber ich weigerte mich bislang, den horrenden Preis für ebendiesen Klassiker auszugeben.

Sohni hats getan und mich so glücklich gemacht wie selten. Nicht nur, weil ich eben nun im Besitz dieses großen Klassikers bin, sondern auch, weil das so vollkommen anlasslos geschah. Der Geburtstag ist vorbei; Weihnachten noch weit. Und übrigens ist Sohni nicht der reichste aller Menschen, die ich kenne.

Nach dem Anlesen des Buches sah ich noch einmal den Film an, der mich überhaupt hierauf gebracht hat. Eine junge Frau anfangs der 2000er schrieb einen Blog darüber, wie sie in einem Jahr die annähernd 600 Gerichte von Julia Child nachkochte (Die Geschichte soll wahr sein.). Sie war so begeistert dabei und steckte in das Projekt allerhand Zeit und Geld, nur um gegen Ende zu erfahren, dass ihr Idol (Child war zu dieser Zeit um die 90 Jahre alt) nicht viel von dieser Sache hielt.

An meiner Begeisterung für das Buch und die Möglichkeit, auf meine alten Tag noch Kocherkenntnisse zu erlangen, die ich bislang nicht hatte, ändert das nichts.

Der Tag, an dem ich …

… mein Klavier im Fernsehen sah.

War ein ziemlich trauriger, denn es hingen viele Erinnerungen daran.

Ich bin gegangen, damals, aus dem Osten, mit vier Koffern für vier Menschen. Was ziemlich wenig ist und gerade für diesen Winter reichte. Wahrscheinlich tat es nicht Not, die Klamotten für die Kinder überbordend mitzuschleppen, denn sie wuchsen ja unentwegt.

Dieses Klavier aber in seiner Einzigartigkeit, gesehen im Fernsehen (Perfektes Dinner?), schmerzte mich sehr.

Es war, als hätte man mir einen Teil meiner Vergangenheit aus den Rippen geschnitten.

Es war auch, als hätte ein jung-dynamischer-die-Vergangenheit-vergessen-habender-Super-Singel gar überhaupt nix verstanden.

Ich will mein Klavier zurück, du dämliches, unmusikalisches Arschloch!

Let´s Talk About Sex

In meiner Kindheit gab es jede Menge Dinge, über die MAN nicht sprach. Neben manch anderem gehörte Sex dazu. Weil … über so etwas spricht man nicht.

Das hatte – wenigstens in unserer Familie – nichts mit Religiosität zu tun, sondern damit, dass unsere Eltern eben nicht die richtigen Worte dafür gelernt hatten. Die Worte, die sie kannten (und ich bezweifle, dass meine Mutter auf der höheren-Töchter-Schule auch nur einen Hauch solchen Vokabulars aufgenommen hat) waren schmutzig, vulgär, obszön.

Was die spätere Generation daraus machte, war auch nicht besser, denn nun wechselte dieser Schmutzkrams in steril medizinisches Wortzeugs, das einem (mir!) auch heute noch so vorkommt wie verklemmte Mediziner, die die Sachen nun einmal benennen müssen.

So oder so: Die Meisten sprachen nicht darüber, obwohl es die Allermeisten taten. Warum auch nicht? Nur so entsteht Leben. Und dass die Sache nebenher auch Spaß macht, hat sich zwar herumgesprochen, aber irgendwie, scheint mir, fehlt uns – auch heute – nicht nur die richtige verbale Ausstattung, sondern auch – weil wir in einer visuellen Welt leben – die richtige Methode der bildlichen Darstellung.

Oder bilde ich mir das nur ein?

Sex, so habe ich angesichts vieler Filme, die kein Problem damit haben, diesen inzwischen im Film darzustellen, festgestellt, scheint eine ziemliche kopflose Geschichte zu sein. Was die Beteiligten davon freispricht, an irgend etwas Schuld zu sein.

Da schauen sich zwei in die Augen, küssen sich vielleicht, wollten gerade eben auseinander gehen. Und plötzlich … fallen sie wie die Tiere übereinander her. ER (es ist immer er, der aktiv wird) setzt sie auf einen Tisch, schiebt ihr den Rock hoch (zum Glück tragen die Damen in solchen Situationen immer Rock oder Kleid) oder knallt sie an eine Wand, wo er selbiges tut oder auf ein (ganz zufällig bereit stehendes Bett) (da kann sie dann auch schon mal eine Hose tragen) und … Naja, den Rest kennen wir.

Wobei ich ja nicht wirklich etwas gegen die Sache als solche habe. Dinge passieren.

Gleichwohl und angesichts der Häufigkeit dieser Art Filmsequenzen frage ich mich, wird dem ansonsten als vernunftbegabt gepriesenen Menschen nicht zugetraut, dass er die Entscheidung zum Sex anders als kopflos trifft?

Womit ja unterstellt würde, dass der Mensch mit seinem Sex einen Rückfall in tierisches Gehabe erleidet und deshalb womöglich nicht für die Folgen verantwortlich ist. Was denn kann man schon gegen seinen Instinkt tun?

Ich jedenfalls, obschon der Eindruck entsteht, ALLE täten es heute auf eben genau diese Art und Weise, kann mich nicht erinnern, dass irgendwann einer so auf mich herabgestürzt wäre (da hätte es aber was gesetzt!) oder ich irgendeinen Mann so angefallen hätte. Schon gar nicht, wenn man sich eben erst begegnet wäre. Vielleicht, nun gut, wäre nach einiger Zeit des sich-sehr-gut-Kennens das Eine oder Andere möglich gewesen. Aber doch nicht als Eröffnung!

So viel ist mal klar: An der Verklemmtheit meiner Generation, die nach den 68ern ganz selbstverständlich mit Pille und Co, aufwuchsen, kann es nicht liegen. Aber woran dann?