Wir alle hatten in den letzten Monaten sehr viel Zeit. Schließlich kann man nicht unentwegt spazieren gehen.
Ich verbrachte die meine, also meine Zeit, verstärkt mit der Mediathek des öffentlich rechtlichen Fernsehens und sah mir Serien an, die ich immer schon gemocht, aber wahrscheinlich nie vollständig gesehen hatte.
Vermutlich ist es kein Zufall, dass mir dabei ältere Frauen ins Visier gerieten.
Wobei man sich ja fragen kann, wann genau so eine ältere Frau anfängt und was sie ausmacht. Die meisten, ja klar, verbinden weibliches Älterwerden mit dem Verlust der jugendlichen Ausstrahlung und erstem, wenn auch schleichendem Verlust der Attraktivität. Im ein oder anderen Fall gehören auch breiter werdende Hüften dazu.
Wo beim Mann die grauer werdenden Schläfen womöglich als interessant angesehen werden, wird Frauen ihr beginnender Verfall zuweilen übel genommen. Das entsprechende Vokabular hat jeder schon gehört.
Gleichwohl sollten wir – hier vermutlich: allesamt – älteren Frauen uns davon nicht irre machen lassen. Denn da sind Lichtblicke, die uns sagen: Scheiß auf Falten und breite Hüften: WIR SIND INTERESSANT.
Schauen Sie sich Senta Berger an („Unter Verdacht“), die auch schon lange nicht mehr das zarte Röschen ist, das man einst nach Hollywood holte. Mit noch immer großem Charme, setzt sie stilvoll – in der Rolle und vermutlich auch im Leben – durch, was sie erreichen möchte.
Hannelore Hoger („Bella Block“) ist da von anderem Kaliber, aber nicht weniger beeindruckend. Ihre Lebensfreude sprüht nur so und wird nur von ihrem Charakter übertroffen. Bis vor wenigen Jahren noch (dieses Jahr wird sie 80) spielte sie die Rolle der angejährten Kommissarin, die vorzeitig(!) in Rente ging, aber auch danach nicht locker ließ.
Beiden ist gemeinsam, dass sie aus einer Zeit stammen, in der Frauen nur wenig zugetraut wurde und man sie gern auf ihre Weiblichkeit (das schließt Schwäche selbstverständlich ein) reduzierte. Kompetenz und Durchsetzungskraft kamen da noch nicht vor. Nicht für Frauen. Führungsrollen für Frauen dürften damals selten gewesen sein und Karrieren in Männerberufen (wie der Kriminalistik) gen Null gegangen sein.
Umso mehr merkt man beiden die Spielfreude in ihren Rollen an.
In einem Gemisch aus (anerzogener) weiblicher Zurückhaltung, Empathie und, ja, auch Durchsetzungskraft lösen sie Fälle bis zum letzten Zipfel, die ihre männlichen Kollegen oft schon viel früher (und mit dabei fehlerhaften Ergebnissen) ad acta gelegt haben würden. Das bringt ihnen zuweilen Ärger ein und den Vorwurf, zu gefühlig an die Sache heranzugehen.
Dass auch sie in der ganzen Bandbreite, mit der man Frauen im Beruf gern niedermacht, angegriffen werden, versteht sich beinahe von selbst. Da wird ihnen ihr Alter zur Last gelegt, da werden ihnen Brüche in ihrer Vita (gestorbenes Kind; Messerangriff) als psychologisches Hemmnis für Objektivität vorgeworfen, da wird – wenn auch nur unterschwellig – die Karte der hysterischen Frau ausgespielt.
Natürlich will man diese unbequemen „alten Weiber“ nur allzu gern loswerden. (Und dass sich Polizeipsychologen nur allzu gern vor diesen Karren spannen lassen, halte ich nicht ausschließlich für künstlerische Freiheit.) Aber sie halten so lange durch wie sie eben selber wollen.
Und in der Hauptsache geben sie, auch für heutige mitten im Leben stehende Frauen, ein Lehrbeispiel ab, wie frau sich in Männerberufen mit ihrer ganz eigenen Note durchsetzen kann.
Immer wieder empfehlenswert!