Ich weiß gar nicht, wann ich den Begriff kennenlernte und zu verstehen begann. Gern möchte ich glauben, dass Marc Uwe Kling mich diesbezüglich belehrte. Aber als einstige Lindenstraße-Seherin lernte ich die Sache (ohne Begriff) vermutlich schon viel früher kennen.
Immer dann, wenn am Ende einer Folge dies erklang
Titel- und Abspannmelodie „Lindenstraße“ – Service – Lindenstraße – Das Erste (wdr.de)
schaute irgendwer unheilschwanger in die Kamera und wir fieberten dem nächsten Sonntag entgegen.
Herr Geißendörfer hat sich das natürlich nicht selbst ausgedacht. Das Prinzip ist sehr viel älter und kommt vermutlich aus dem Amerikanischen. Böse Zungen behaupten, Herr Hubbard (Falls Sie nicht wissen, wohin mit dem durchaus nicht unbekannt klingenden Namen: Es handelt sich um den Erfinder, Schöpfer oder was auch immer von Scientology. Der dermaleinst mit Science Fiction Romanen seinen ersten Karriere-Versuch unternahm.) habe diese Idee gehabt: Mache den Leser, Hörer, Zuseher sooo neugierig, dass er auch beim nächsten Mal sein schwer verdientes Geld sich vom Herzen reißt, um deiner Ideen habhaft zu werden.
Das funktioniert bei Lebenshilfekursen, wie er irgendwann feststellte, sehr viel besser als bei den Romanen (die ich kurz nach der Wende der Neugier halber erwarb und nicht so aufregend fand wie gedacht). Aber da lebte er schon nicht mehr und irgendwer anders, wahrscheinlich das Scientology-Imperium, verdiente immernoch daran, dass ich so doof gewesen war.
Aber gut.
Mittlerweile gibt es jede Menge Serien mit – natürlich – Cliffhangern* (schlagen Sie selbst nach) und unglaublich dummen Menschen, die unglaublich dumme Verwicklungen erzeugen, welche unglaublich viele neue Folgen einer Serie nach sich ziehen.
ICH LIEBE ES!
Nicht erst seit Corona, aber seitdem noch viel mehr.
Gerade eben habe ich 180(!) Folgen (= 8 Staffeln) der Desperate Housewives hinter mich gebracht. Die nicht zuletzt deswegen außerordentlich erstaunlich waren, weil die Damen (manchmal auch die Herren) mit den größten Kapitalverbrechen so ungestraft davonkamen und gleichzeitig aus Nicht-Verbrechen, die – hätte man nur rechtzeitig die Polizei gerufen und damit nicht eine einzige Folge mehr generiert – tapfer geschwiegen und gelogen und damit eine halbe Staffel mehr erzeugten. So blöd und gleichzeitig einfallsreich muss man erst einmal sein.
Kurzum ( diese und andere Serien, die ich mir früher zu sehen verkniffen habe, weil ich wochenlanges Warten auf den Fortgang der Geschichte sowie Werbepausen unerträglich finde) ich staune heute über Dinge, die ich bei einigem Durchhaltevermögen bereits hätte erkennen können: Serien sind unterhaltsam zwar, Zeitdiebe auf jeden Fall, amüsant zuweilen (die Dialogschreiber beherrschen ihr Handwerk schon) und natürlich vollkommen verwirrt und am wahren Leben vorbei. Z.B. leiden die D.H. nur dann an Geldmangel, wenn es gerade ins Drehbuch passt. Andernfalls staunt man, wie viel Zeit Männlein wie Weiblein mit sich und ihren Familien verbringen, wo doch Gott weiß, dass die meisten Familien (nicht nur hier) den Großteil ihrer Zeit damit verbringen, das Geld beizuschaffen. Und wenn Papa seinen Job verliert, tut sich für Mama auf beinahe beiläufige Art eine großartige Karrierechance auf undundund …
Gleichwohl: Die Filmrezepte funktionieren. Und natürlich sollte keiner über Logik nachdenken. Darum geht es nicht. Wir wollen doch nicht abends (oder wann auch immer) irgendwelches Zeugs sehen, das viel zu viel Ähnlichkeit mit unserem eigenen Leben hat (nicht einmal RTL2 tut das), sondern wir wollen dies Feelgood-Zeugs, das uns erklärt, wie schwer es doch die Reichen, Erfolgreichen, Schönen und Schlanken haben, wohingegen unser eigenes Leben doch im Grunde ganz prima ist.
Wussten Sie übrigens, dass Arthouse (was ja nun Hochkultur ist) all seine Filme mit „feelgood“ bewirbt? (Und wenn es nicht die Wahrheit ist – wen scherts? – dann ist es wieder Marc Uwe Kling. ; ) )