Bob Ross …

… ist der Mann für gewisse Stunden. Also solche wie jetzt. In denen Schlaflose verzweifelt nach der Fernbedienung greifen und bei dieser betörend beruhigenden Stimme innehalten.

B.R. zeigt uns, wie es geht. Also das mit den wunderfeinen Landschaften in wasserlöslichem Öl ( Ich gestehe, lange nicht gewusst zu haben, dass es so etwas gibt: Ölfarben, die wasserlöslich sind, aber, ja, es gibt sie .) Und während er uns mit seiner meditativen Stimme (nicht, dass ich so gut Englisch könnte, alles zu verstehen) in einen immer ruhigeren Zustand versetzt, schafft er es gleichzeitig, grobe Ängste zu erzeugen.

Dann nämlich, wenn er gerade eben wunderbare Himmel oder sonstwas gemalt hat in blau (natürlich!) oder rosarot oder abendlichem orange, plötzlich die dunklen Farben zückt, um mitten hinein zu malen in etwas bis eben ganz und gar Phantastisches. Das kann doch nur alles kaputt machen!, denkt sich so ein unbedarfter Zuseher wie ich. Und natürlich ist solcherart Aufregung dem sehnsüchtig erwarteten Schlaf ganz und gar nicht zuträglich.

Man muss diese 20, 30(?) Minuten dann schon durchhalten, um festzustellen, dass er – natürlich! – sein Handwerk beherrscht und am Ende doch noch etwas Gescheites dabei heraus kommt. Und, ja, das tut es, auch wenn der Langzeit-Schlaflose irgendwann bemerkt, dass die Resultate oft sehr ähnlich und vielleicht dann doch eher handwerklich als künstlerisch inspiriert sind.

Scheißegal! Trotzdem kostete es mich jedes Mal ein gutes Stück meiner Nerven!

Was haben wir getan?

Immer öfter begegnen mir (und wahrscheinlich nicht nur mir) in allen möglichen Medien ganz empörte Menschen. Jeder Altersklasse übrigens, aber gerne jünger.

Das Ausmaß und die Themen der Empörung kennen wahrscheinlich alle anderen auch, so dass ich sie nicht einzeln benennen muss. Mir geht es gar nicht um einzelne Themen, sondern um die Grundstimmung. Ständig wird gemault, kritisiert, alles für furchtbar schlimm befunden und ganz viele Leute machen vermeintlich ganz viel falsch.

Glauben die Kritiker, sie täten es besser?

Und: Finden all diese maulenden Leute ihr Leben wirklich so schlimm oder mögen sie es nur, besonders kritisch zu sein?

Nein, Kritiker sind nicht nur keine beliebten Menschen; sie sind auch nicht schlauer als die anderen.

Aber vermutlich kriegen sie schneller einen Herzinfarkt, Depressionen oder Nervenzusammenbrüche.

Es sei denn natürlich, sie bewegen sich in sozialen Medien und kriegen ganz, ganz viel Feedback von Menschen, die genauso Scheiße drauf sind.

Ich hingegen frage mich, wo da das Glück und die Zufriedenheit darüber sind, dass es uns heute, und zwar seit ein paar Jahrzehnten schon, imgrunde wirklich und richtig gut geht.

Klar gibt es immer noch etwas zu ändern und besser zu machen. Das liegt sowieso in der menschlichen Natur, sich weiter entwickeln. Aber da ist kein großes Unglück.

Meine Mutter erzählte, dass sie meine Schwester, die heute noch lebt und sich ziemlich guter Gesundheit erfreut, zwei Jahre lang stillte, weil sie ihr nichts anderes zu essen geben konnte. Das war so ungefähr in der gleichen Zeit, in der meine Mutter nur Kohlrabi aß, weil nichts anderes in ihrem Garten gedieh. Den Rest ihres Lebens hatte sie genug davon.

Kennt einer der Heutigen solche Zeiten? Kann sich einer der Heutigen solche Zeiten auch nur vorstellen?

Ich erinnere mich an meine Jugend, in der unsere Eltern immer nur wollten, dass es uns besser geht. Sie sprachen nicht wirklich von diesen Zeiten, in denen es ihnen so wirklich richtig schlecht ging. Dass mein Vater von Russland nach Deutschland gelaufen(!) ist nach seiner Flucht aus der Kriegsgefangenschaft erfuhr ich erst, als ich bereits erwachsen war. Sie WOLLTEN nicht, dass wir mit dieser schweren Last auf den Schultern aufwuchsen. Sie wollten, dass wir unbedarft und zuversichtlich in unser Leben schauen, mit dem Glauben, dass jeder alles tun kann, was er will. Und vielen von uns ist das auch gelungen.

Aber ist das ein Grund für die Heutigen, sich so vergangenheitsvergessen immer noch mehr zu wünschen und über jedem Misslingen gleich in großes Lamento auszubrechen?

Selbst jetzt, während Corona, hat es die Gesellschaft mehrheitlich geschafft, niemanden untergehen zu lassen. Statt dafür dankbar zu sein, tönen die einen von ihrer verlorenen Freiheit (Restaurantbesuche, Kino, Theater, Urlaub), die anderen maulen, dass ihre (spätere) Generation auf die eine oder andere Weise die Zeche bezahlen muss. Dass ohne diese Finanzierungen noch viel mehr Leute, und zwar heute schon, die Zeche bezahlen müssten … pfeif drauf! Mutti wirds schon richten, womit ich die echte meine und nicht jene, die im Herbst abtritt.

Hätten wir unseren Kindern mehr von früher erzählen sollen? Ihnen vermitteln, dass ein gutes Leben nicht selbstverständlich ist und korrektes Sprechen und Verhalten nur das allerallerletzte Ende einer schier endlosen Fahnenstange?

(Bitte keine Kommentare von Lesern, die ganz viele, furchtbare prima junge Menschen in ihrer Familie oder Ihrem Bekanntenkreis haben. Ich weiß, dass es die auch gibt. Aber das heißt nicht, dass die anderen sich in Luft auflösen.)

Borstenvieh und Schweinespeck

Als im Wunschtatort bei der Familie der Fleischfabrikantin zum Mittag reihenweise Fleischteller aufgetragen werden, während sie, die Fabrikantin, etwas vom Vertrauen der Kunden in die Rechtschaffenheit eines Fleischproduzenten daher redet, kriege ich einen unbändigen Appetit auf Schweinebraten.

Also den, den meine Mutter regelmäßig sonntags machte. Ich wüsste nicht, wann ich so einen seither wieder gegessen hätte. Auch meine eigenen Versuche eines Schweinebratens waren zwar nicht misslungen, aber irgendwie doch sehr anders. Weil zu unserer Zeit nicht so sehr das Fleisch zählte, sondern die Raffinesse. Irgendwie musste zu unserer Zeit alles mindestens einen Touch von Exotik haben. Als wäre das Herkömmliche nicht gut genug. Was ja Quatsch ist. Denn an den herkömmlichen Gerichten, die zunehmend von der Speisekarte verschwinden, haben gute Köche Jahrhunderte lang herum gebastelt.

Ich habe da so ein Mittelalterkochbuch, an dem man die Unterschiede erkennen kann. Damals kochten sie vieles auf eine Weise, die zeigen sollte, WAS ALLES man sich so leisten kann. Ich rate jedem: Nehmen Sie nie so viel Pfeffer wie die Damaligen. Man kann das nicht essen. (Ich denke, die selbst konnten das nur unter großen Mühen und mit einem erheblichen Gewöhnungsfaktor essen.) Abgesehen von dieser kleinen Verirrung habe ich aus diesem Kochbuch aber doch einiges gelernt, das mir noch heute großen Spaß bereitet. Wie gerne doch denke ich an das Weihnachten 1994 zurück, als Schwiegervater sich in totaler Begeisterung noch einen zweiten und dritten Nachschlag auftun ließ, während seine Frau empört meinte, das sei so ganz und gar nicht gut für seine Diät. „Scheiß drauf!“, sagte er sich und ich genoss es, die ewig unwillkommenen Ratschläge einer Frau, die für Kartoffeln, Mischgemüse aus dem Glas und Schnitzel regelmäßig drei Stunden in der Küche zubrachte und den hernach notwendigen Salzstreuer nur unter großem Gezeter her reichte, in den Wind schlagen zu können.

Neulich sah ich einen Bericht, in dem von Tieren erzählt wurde, die unter höchst quälerischen Bedingungen ihre letzten Tage zubrachten und höchstwahrscheinlich wider alle gesetzlichen Regularien doch in der Metzgerei gelandet sind. Da kann einem der Appetit schon vergehen. Wie ich auch seit einigen Monaten schon keine Fleischwaren mehr beim Discounter R..E kaufe, wo sie mir Hackfleisch untergejubelt haben, das oben schön rosig, aber ab einem Zentimeter Tiefe ekelgrün war. Auf solche Experimente habe ich keine Lust.

Trotzdem ist mir der gelegentliche Appetit auf FLEISCH nicht auszutreiben. Ich habe da auch kein schlechtes Gewissen deswegen. Ich denke, wenn man es isst wie damals Mutters Schweinebraten, den es nur sonntags gab, mag es angehen. Wir aßen damals ja insgesamt weniger Fleisch. Eine Gemüsesuppe konnte durchaus ein vollwertiges Mittagessen sein. Heute nennen sie das Vor-Suppe. Aber wir sind doch keine Könige, die ständig Sieben-Gänge-Menüs brauchen.

Da genieße ich es, dass manche dann doch das alt Hergekommene pflegen. Beim Discounter T…t an der Fleischtheke gibt es neuerdings fertige Rouladen, die wie bei Muttern schmecken. Ich führte sie dieser Tage meinem Sohn vor, der es als gelernter Koch schließlich wissen muss, und sie fanden Gnade unter seinen Augen.

Wenn die jetzt noch den Schweinebraten meiner Mutter versuchen, werden sie mich als Kunden nicht wieder los.

EWF

Wir waren jung, wir waren eher nicht reich und neu im Westen.

Aber wir wussten, was wir wollten.

GöGa hatte irgendwas am Knie. Der Arzt sog ihm regelmäßig Zeuges mit einer Spritze heraus. Und legte ihm schließlich einen Halbgips an.

Was uns nicht hinderte, nach Stuttgart zu fahren. Mit dem Zug. Wir mochten schwarze Musik und besonders EWF. Die traten an diesem Abend mit auf.

Ich erinnere mich, wie ich während des Bügelns für unsere Vierkopffamilie ( noch im Osten) die irgendwie nicht ganz legal an uns überstellte Kassettenaufnahme von Earth, Wind & Fire hörte. Ständig. Also mindestens so oft, wie ich bügelte. Das war eine Sache, die sich irgendwie in einer anderen Welt abspielte. Schwarze Menschen mit diesem ganz eigenen musikalischen Swing hatten nichts mit uns zu tun. Sie lebten in unserer Sehnsuchtswelt. Wir aber würden da nie hinkommen.

Und plötzlich waren wir doch da. Und wir sahen die Einen und Anderen. Aber dann kamen sie. Durch einen Streifenvorhang auf der Bühne kamen sie mit Bademänteln, die sie schnell abwarfen. Und das Publikum direkt vor der Bühne jubelte. wie sich da so gehört. Göga und ich aber saßen irgendwo da oben und sahen und das aus der Ferne an. Und mir, ohne dass ich dessen erst gewahr wurde, liefen die Tränen.

NIE hatte ich gedacht, DAS wirklich und echt zu erleben.

Wie es der Zufall so wollte, waren EWF im Jahr meines 50. Geburtstages wieder da. Nicht so GöGa; der war inzwischen weg. Was aber nichts an meiner Begeisterung änderte.

Der Swing, dachte ich, ist immer noch da. Mit oder ohne Göga.

Es ist alles da!

Als er noch dort war, hatte er Macht, weil er Dinge besaß, die andere nicht hatten. Er konnte sich Wohlwollen erkaufen und den einen oder anderen Vorteil. Als er von dort weg ging, auf die andere Seite, kam er in einen winzig kleinen Laden und sah, dass all das nun keine Rolle mehr spielte. Weinend brach er vor dem Spirituosenregal zusammen, nachdem er sich mit einigen kräftigen Schlucken davon überzeugt hatte, dass der russische Wodka echt war.

„Es ist alles da!“, wimmerte er und mag sich gefragt haben, warum ihm in all den Jahren all die Entbehrungen auferlegt worden sind.*

Nein, ich rede nicht von Deutschland Ost und West und der Mauer, deren Bau sich morgen zum 60. Mal jährt. Obwohl sich da zuweilen ganz ähnliche Szenen abgespielt haben. Menschen aus dem Osten erstarrten vor dem überbordenden Angebot in den Supermärkten und brachen in Tränen aus.

Hernach mag man sich gefragt haben, wozu man zwanzig Sorten Nudeln braucht (Ahja, inzwischen haben wir verstanden: Es gibt Unterschiede!), aber zuerst fühlte man sich erschlagen. Von dieser Menge der Waren, von all dem Überfluss, von Obst und Gemüse, das man im Osten nie gesehen hatte. (Brokkoli? Was ist Brokkoli?)

Als ich zum ersten Mal im Westen einkaufen ging, hatte ich keine Zeit für solche Befindlichkeiten. Und, mal ehrlich, so schön ist Aldi damals auch wieder nicht gewesen. Ich hatte 100 Westmark für unseren ersten Familieneinkauf. Was nicht viel ist, wenn man zu viert vollkommen neu anfängt. Und, nein, das war nicht das berühmte Besuchergeld. ICH war Neubürger und bekam so etwas nicht. Mein Mann hatte das Geld verdient, ganz richtig.

Und während ich vollkommen ahnungslos durch die Regalreihen ging und ein Wundern nicht unterdrücken konnte, merkte ich, wie der Computer in meinem Kopf in Gang kam. Der registrierte, dass Brot ab jetzt richtig teuer sein würde. Die Zeiten von 2 Kilo für 1,28 Ostmark waren vorbei. Der registrierte aber auch, dass die Zeiten von 8 Ostmark für 1 Kilo Kaffee oder Bananen auch vorbei war.

Ich schätze, nur wenige derer, die in diesem System schon immer gelebt hatten, waren sich dessen bewusst, was wir Ostdeutsche in dieser Zeit alles lernen mussten. Denn das Einkaufen war nur ein Anfang. Es ging weiter mit der Wahl einer Krankenversicherung und der verabschiedeten Idee vom billigen Wohnen. Im Westen zahlten wir das Zehnfache der Ostwarmmiete als Kaltmiete, verdienten aber nicht das Zehnfache.

Im Gegenteil nahm man die pfiffigen, im Improvisieren geübten Ostdeutschen gern als billige Arbeitnehmer, die es noch nicht gelernt hatten, um Löhne zu verhandeln. Die hatten schließlich den Vorzug, keinen Sprachkurs besuchen zu müssen. Und die meisten waren willig, auch wenn kurze Zeit nach der Wende das Gerücht umging, „die da drüben hatten doch keine Ahnung, was Arbeiten bedeutet“. Schwarze Schafe gibt es überall. Und die schwarzen Schafe waren halt jene, die im Osten nichts zu verlieren hatten und deswegen zuerst da waren.

Aber es war auch günstig, den Mythos des arbeitsungewöhnten Ostdeutschen zu pflegen, ebenso wie es günstig war, die mitgebrachten Qualifikationen anzuzweifeln. Mein Studienabschluss wurde erst zehn Jahre nach der Wende anerkannt. Da hatte ich schon eine ganz andere Laufbahn eingeschlagen, was hieß: wieder von ganz unten anzufangen.

Kollegen, die eben genau diese zehn Jahre jünger waren, fragten sich später, warum sie so mühelos auf der Karriereleiter an mir vorbei gerutscht sind. „Zur falschen Zeit am falschen Ort“, antwortete ich da. Wenngleich ich angesichts der vielen „Diplommelker“ etc. aus russischen Arbeitsbüchern, die ich in dieser Zeit übersetzte, gewisse Zweifel nachvollziehen kann. Aber wir hatten wirklich studiert, was festzustellen keine Raketenwissenschaft war und ganz gewiss keine zehn Jahre gedauert hat.

Warum mir, nach nunmehr mehr als 30 Jahren all diese Dinge in den Kopf kommen?

Da braucht bloß einer zu kommen und zu sagen: „Es ist alles da!“

Und dann IST es wieder da.

Und, danke der Nachfrage, es geht mir gut. Ich habe trotz allem nichts bereut. Denn im Gegensatz zu vielen anderen, die sich freiwillig so nicht entschieden haben, bin ich diesen Schritt bewusst und eingedenk mancher zu erwartender Schwierigkeiten gegangen.

  • „Ascension“ (ARD Mediathek)

Jetzt wird´s extrablöd!

Wir befinden uns nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl und können rückblickend konstatieren, dass in der bundesdeutschen Politik letzthin einige gravierende Fehler gemacht wurden.

Nein, ich rede ausnahmsweise nicht von Corona, sondern von Personalien.

Da wird ein Provinzpolitiker zum Kanzlerkandidaten gekürt und schafft es nicht einmal, bei der seit langem größten Naturkatastrophe den nötigen Ernst zu wahren. Wie soll das Wahlvolk da annehmen, dass er sein Volk in späteren Lagen ernst nehmen wird?

Da wird aus falsch verstandenem Feminismus eine Kandidatin aufgestellt, die mehr Schein als Sein braucht und doch nicht staatsmännisch herüber kommt. Man möchte sich ums Verrecken nicht vorstellen, wie die auf internationaler Bühne agiert, wenn sie schon vor wohlwollendem Publikum nicht souverän ist.

Da veröffentlicht der Vize einer Partei, die künftig wieder eine größere Rolle in der Bundespolitik spielen möchte, kurz vor der Wahl ein Buch mit dem Untertitel „Wie ein Virus unseren Rechtsstaat aushebelt“. Na, wenn der Rechtsstaat ausgehebelt ist, sollte man da lieber nicht mitwirken, oder?

Da mutet es schon beinahe sympathisch an, dass ein weiterer Kandidat sich bei der Aufarbeitung von Skandalen nach altbewährter Politikermanier an nichts erinnern kann.

Erstaunlich, dass vor lauter Bemühen, irgendwie doch noch jemanden aufzutun, der halbwegs tragbar ist, so ein, zwei Kandidaten nicht gesehen oder bewusst übergangen wurden, die im Wahlvolk große Akzeptanz genießen. Entweder sind sie in der falschen Partei oder haben das falsche Geschlecht.

Ob es nun Not tut, einen von denen, die sowieso nicht zum Zug kommen werden, noch als Rassisten zu bezeichnen?

Wegen eines „Indianerehrenwortes“???

Fast kommt es mir vor wie bei den Negern. Als die die Begrifflichkeit für sich selbst entdeckten, wurde sie allen (und damit auch ihnen selbst) weg genommen, weil rassistisch. Heute kann es passieren, dass in allzu korrekten Firmen selbst Farbige, die „Neger“ sagen, Probleme kriegen.

Dass nun auch „Indianer“ verboten ist, war mir jedoch bislang nicht bewusst. Ich wüsste da jetzt so auf die Schnelle auch keine Alternative. Gar nicht zu reden davon, dass mir das „Indianerehrenwort“ noch nie in negativer Konnotation begegnet wäre. Im Gegenteil weiß jeder, dass ein solches höchste Verlässlichkeit verspricht. Wo ist da der Rassismus?

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir auf eine Gesellschaft zusteuern, in der Unterschiede nicht mehr benannt werden sollen. WENN dem so ist, sollten Quoten dann aber auch obsolet sein.

Alles reichlich verwirrend …

Also, wenn sie mich fragen …

WIR FRAGEN DICH NICHT!

Ok, ich erklärs trotzdem:

Ich bin eine Synästhetikerin.

Sie wissen nicht, was das ist? Kein Problem. Ich erkläre es Ihnen.

Synästhetiker haben merkwürdige Gehirnverknüpfungen (nein, sie sind nicht irre). Ihr Gehirn verknüpft Dinge miteinander, die dem logischen Neuzeit-Denken entsprechend nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben.

In Filmen wird das gern als so eine Art Feuerwerk von Farben und Formen dargestellt, das sehr eindrucksvoll ist.

In meiner bescheidenen Wahrnehmung (ok, ich bin jetzt nicht der wahnsinnig größte Synästhetiker) vermischen sich Zahlen und Buchstaben gern mit Farben. Was ja eigentlich eines nichts mit dem Anderen zu tun hat.

Das „E“ zum Beispiel ist glasklar blau( ein dunkles Blau) und und der Buchstabe „O“ von strahlendem Gelb. Ebenso wie die „1“.

Der Buchstabe „G“ hingegen hat so eine Farbe von Babykacke.

Uswusf.

Nicht, dass all das von irgendeinem Nutzen wäre. Aber es ist nun einmal so. Und wahrlich nicht das Schlimmste, was einem passieren kann.

Im Gegenteil merkt der Betroffene erst einmal gar nichts Besonderes. Da diese Dinge immer schon da waren, denkt er, das müsse so sein. Und wahrscheinlich auch, den Anderen ginge das ganz genauso.

Erst später merkt er, dass die Anderen das mehrheitlich ganz und gar nicht normal finden. Also, heij, was hätten das „E“ und die Farbe blau miteinander zu tun? Irgendwie sind geschriebene/ gedruckte Buchstaben ja doch meistens schwarz.

Und dann merkt der Synästhetiker, dass er nicht genauso tickt wie die anderen.

Er horcht rum, was es mit dieser Besonderheit auf sich hat und stellt fest – immerhin! – , dass er nicht allein, aber doch irgendwie keiner von Vielen ist. Weil man nie weiß, ob so eine Besonderheit etwas Gutes ist oder eher nicht, redet man nicht groß darüber.

Heute, wo mir egal ist, was die Leute denken, rede ich schon darüber. Also, wenn es sich so ergibt. Und ich bin froh, wenn – wie neulich meine junge Kollegin – jemand sagt, dass er DAS noch nicht kannte, aber es sehr interessant und sich bereichert findet. Ihre Kinder sind vier und eineinhalb Jahre alt. Und sollten sie dermaleinst merkwürdige Gedankenverbindungen zwischen Sachen herstellen, die nach allgemeinem Verständnis nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben, weiß die Kollegin schon mal Bescheid, hat eine Bezeichnung für die Sache und macht sich keine Sorgen.

Ob und inwieweit diese S-Geschichte für mein Leben irgend eine Bedeutung hatte, vermag ich nicht zu sagen. Man könnte treffliche Mutmaßungen z.B. darüber anstellen, dass das (für mich) blaue „E“, und Blau ist meine Lieblingsfarbe, wie das „E“ der im Deutschen häufigst gebrauchte Buchstabe ist, irgend Etwas miteinander zu haben.

Man kann es aber auch lassen.