Borstenvieh und Schweinespeck

Als im Wunschtatort bei der Familie der Fleischfabrikantin zum Mittag reihenweise Fleischteller aufgetragen werden, während sie, die Fabrikantin, etwas vom Vertrauen der Kunden in die Rechtschaffenheit eines Fleischproduzenten daher redet, kriege ich einen unbändigen Appetit auf Schweinebraten.

Also den, den meine Mutter regelmäßig sonntags machte. Ich wüsste nicht, wann ich so einen seither wieder gegessen hätte. Auch meine eigenen Versuche eines Schweinebratens waren zwar nicht misslungen, aber irgendwie doch sehr anders. Weil zu unserer Zeit nicht so sehr das Fleisch zählte, sondern die Raffinesse. Irgendwie musste zu unserer Zeit alles mindestens einen Touch von Exotik haben. Als wäre das Herkömmliche nicht gut genug. Was ja Quatsch ist. Denn an den herkömmlichen Gerichten, die zunehmend von der Speisekarte verschwinden, haben gute Köche Jahrhunderte lang herum gebastelt.

Ich habe da so ein Mittelalterkochbuch, an dem man die Unterschiede erkennen kann. Damals kochten sie vieles auf eine Weise, die zeigen sollte, WAS ALLES man sich so leisten kann. Ich rate jedem: Nehmen Sie nie so viel Pfeffer wie die Damaligen. Man kann das nicht essen. (Ich denke, die selbst konnten das nur unter großen Mühen und mit einem erheblichen Gewöhnungsfaktor essen.) Abgesehen von dieser kleinen Verirrung habe ich aus diesem Kochbuch aber doch einiges gelernt, das mir noch heute großen Spaß bereitet. Wie gerne doch denke ich an das Weihnachten 1994 zurück, als Schwiegervater sich in totaler Begeisterung noch einen zweiten und dritten Nachschlag auftun ließ, während seine Frau empört meinte, das sei so ganz und gar nicht gut für seine Diät. „Scheiß drauf!“, sagte er sich und ich genoss es, die ewig unwillkommenen Ratschläge einer Frau, die für Kartoffeln, Mischgemüse aus dem Glas und Schnitzel regelmäßig drei Stunden in der Küche zubrachte und den hernach notwendigen Salzstreuer nur unter großem Gezeter her reichte, in den Wind schlagen zu können.

Neulich sah ich einen Bericht, in dem von Tieren erzählt wurde, die unter höchst quälerischen Bedingungen ihre letzten Tage zubrachten und höchstwahrscheinlich wider alle gesetzlichen Regularien doch in der Metzgerei gelandet sind. Da kann einem der Appetit schon vergehen. Wie ich auch seit einigen Monaten schon keine Fleischwaren mehr beim Discounter R..E kaufe, wo sie mir Hackfleisch untergejubelt haben, das oben schön rosig, aber ab einem Zentimeter Tiefe ekelgrün war. Auf solche Experimente habe ich keine Lust.

Trotzdem ist mir der gelegentliche Appetit auf FLEISCH nicht auszutreiben. Ich habe da auch kein schlechtes Gewissen deswegen. Ich denke, wenn man es isst wie damals Mutters Schweinebraten, den es nur sonntags gab, mag es angehen. Wir aßen damals ja insgesamt weniger Fleisch. Eine Gemüsesuppe konnte durchaus ein vollwertiges Mittagessen sein. Heute nennen sie das Vor-Suppe. Aber wir sind doch keine Könige, die ständig Sieben-Gänge-Menüs brauchen.

Da genieße ich es, dass manche dann doch das alt Hergekommene pflegen. Beim Discounter T…t an der Fleischtheke gibt es neuerdings fertige Rouladen, die wie bei Muttern schmecken. Ich führte sie dieser Tage meinem Sohn vor, der es als gelernter Koch schließlich wissen muss, und sie fanden Gnade unter seinen Augen.

Wenn die jetzt noch den Schweinebraten meiner Mutter versuchen, werden sie mich als Kunden nicht wieder los.

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