Was haben wir getan?

Immer öfter begegnen mir (und wahrscheinlich nicht nur mir) in allen möglichen Medien ganz empörte Menschen. Jeder Altersklasse übrigens, aber gerne jünger.

Das Ausmaß und die Themen der Empörung kennen wahrscheinlich alle anderen auch, so dass ich sie nicht einzeln benennen muss. Mir geht es gar nicht um einzelne Themen, sondern um die Grundstimmung. Ständig wird gemault, kritisiert, alles für furchtbar schlimm befunden und ganz viele Leute machen vermeintlich ganz viel falsch.

Glauben die Kritiker, sie täten es besser?

Und: Finden all diese maulenden Leute ihr Leben wirklich so schlimm oder mögen sie es nur, besonders kritisch zu sein?

Nein, Kritiker sind nicht nur keine beliebten Menschen; sie sind auch nicht schlauer als die anderen.

Aber vermutlich kriegen sie schneller einen Herzinfarkt, Depressionen oder Nervenzusammenbrüche.

Es sei denn natürlich, sie bewegen sich in sozialen Medien und kriegen ganz, ganz viel Feedback von Menschen, die genauso Scheiße drauf sind.

Ich hingegen frage mich, wo da das Glück und die Zufriedenheit darüber sind, dass es uns heute, und zwar seit ein paar Jahrzehnten schon, imgrunde wirklich und richtig gut geht.

Klar gibt es immer noch etwas zu ändern und besser zu machen. Das liegt sowieso in der menschlichen Natur, sich weiter entwickeln. Aber da ist kein großes Unglück.

Meine Mutter erzählte, dass sie meine Schwester, die heute noch lebt und sich ziemlich guter Gesundheit erfreut, zwei Jahre lang stillte, weil sie ihr nichts anderes zu essen geben konnte. Das war so ungefähr in der gleichen Zeit, in der meine Mutter nur Kohlrabi aß, weil nichts anderes in ihrem Garten gedieh. Den Rest ihres Lebens hatte sie genug davon.

Kennt einer der Heutigen solche Zeiten? Kann sich einer der Heutigen solche Zeiten auch nur vorstellen?

Ich erinnere mich an meine Jugend, in der unsere Eltern immer nur wollten, dass es uns besser geht. Sie sprachen nicht wirklich von diesen Zeiten, in denen es ihnen so wirklich richtig schlecht ging. Dass mein Vater von Russland nach Deutschland gelaufen(!) ist nach seiner Flucht aus der Kriegsgefangenschaft erfuhr ich erst, als ich bereits erwachsen war. Sie WOLLTEN nicht, dass wir mit dieser schweren Last auf den Schultern aufwuchsen. Sie wollten, dass wir unbedarft und zuversichtlich in unser Leben schauen, mit dem Glauben, dass jeder alles tun kann, was er will. Und vielen von uns ist das auch gelungen.

Aber ist das ein Grund für die Heutigen, sich so vergangenheitsvergessen immer noch mehr zu wünschen und über jedem Misslingen gleich in großes Lamento auszubrechen?

Selbst jetzt, während Corona, hat es die Gesellschaft mehrheitlich geschafft, niemanden untergehen zu lassen. Statt dafür dankbar zu sein, tönen die einen von ihrer verlorenen Freiheit (Restaurantbesuche, Kino, Theater, Urlaub), die anderen maulen, dass ihre (spätere) Generation auf die eine oder andere Weise die Zeche bezahlen muss. Dass ohne diese Finanzierungen noch viel mehr Leute, und zwar heute schon, die Zeche bezahlen müssten … pfeif drauf! Mutti wirds schon richten, womit ich die echte meine und nicht jene, die im Herbst abtritt.

Hätten wir unseren Kindern mehr von früher erzählen sollen? Ihnen vermitteln, dass ein gutes Leben nicht selbstverständlich ist und korrektes Sprechen und Verhalten nur das allerallerletzte Ende einer schier endlosen Fahnenstange?

(Bitte keine Kommentare von Lesern, die ganz viele, furchtbare prima junge Menschen in ihrer Familie oder Ihrem Bekanntenkreis haben. Ich weiß, dass es die auch gibt. Aber das heißt nicht, dass die anderen sich in Luft auflösen.)

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