(Und das meine ich jetzt ganz ernst.)
Hach, was war das für eine Aufregung. Also, dass ich, was ich neuerdings selten (früher oft bis täglich) tue, politisch Stellung beziehe. Was so ja eigentlich nicht stimmt. So ein Mord hat erst einmal gar nichts mit Politik zu tun, sondern ist ein Verbrechen. Punkt.
Dass sich dann (nicht hier) bei 1000 Lesern und um die 50 Kommentatoren auch ein paar Querdenker einfinden, denen es weniger um den Jungen (mir schon!), als um ihre Gesinnung(sfreiheit) ging, ist heutzutage schier unvermeidlich.
Mich aber ödet das fürchterlich an. Dieser Hickhack führt meines Erachtens zu nichts. Und ich mag mich mit Menschen, die ganz augenscheinlich bar jeden Mitgefühls sind, nicht abgeben. So einfach ist das.
Und weil ich nicht der Gestalter der Welt bin, denke ich über andere Dinge nach. Das macht den Jungen zwar auch nicht wieder lebendig und seine Familie/ Bekannten auch nicht froh. Aber es schafft die Gelegenheit, das Gehirn wieder frei zu kriegen, aus dieser dussligen Gedankenmühle heraus zu kommen.
Später kann ich auf die Geschehnisse vielleicht anders sehen, klarer.
Ich sehe mich also um in der Welt und lande wieder in den Bahnen, die ich seit einigen Wochen bereits verfolge.
Immer schon war ich kreativ. Zu Zeiten hatte ich meine eigene Kleidungskollektion im Schrank. Danach schrieb ich. Danach malte ich. Ein wenig machte ich auch „in Ton“ oder anderes Zeugs. Gerade eben habe ich wieder angefangen zu stricken. Mit genau dem gleichen Eifer, den ich vor 35 Jahren an den Tag legte. Ich konnte nicht aufhören, ehe das Ding fertig war. Neben mir liegt der Pullover, den ich vor drei Wochen anfing, reine Baumwolle (anders als vor 35 Jahren), den ich am Sonntag zur Wahl tragen werde. Nebenher schaue ich auf Webseiten, die so Kleider zeigen, die ich auch schon mal nähte, und sehe, dass Abnäher außer Mode gekommen sind. Diese Mädels da, na gut, sind reichlich flachbrüstig. Aber da, wo es Abnäher brauchen würde, behelfen sie sich neuerdings mit seitlichen Stoffbahnen. Was ich interessant finde.
Solche Dinge sind eigentlich angesichts der Geschehnisse in dieser Welt und diesem Land so etwas von unwichtig, dass man sich schämen müsste, über sie nachzudenken. Aber gleichzeitig beruhigen sie und sorgen, wenn man denn vorm Einschlafen über sie nachdenkt, für eine gewisse Ausgewogenheit.
Menschen sind so verschieden. Und unzufriedene Menschen suchen immer wieder nach Gründen für ihre Unzufriedenheit. Ich bin das nicht.
Wenn ich heute vorm Einschlafen über Schnittmuster nachdenke, habe ich den Jungen nicht vergessen. Aber ich lenke mein Denken in eine positive Richtung, die ich beibehalten möchte für ziemlich lange Zeit.