Das Universum

Als wir Kinder waren, lebten wir mit der Idee, dass eines Tages ALLE ins Weltall fliegen würden.

Inzwischen haben sich unsere Vorstellungen relativiert. Denn es ist eine sauteure Sache und führt uns ziemlich nirgendwo hin, weil alles, was von Interesse wäre im Weltall, so weit weg ist, dass wer auch immer startet die Ankunft nicht erleben wird.

Abgesehen davon beginnen wir zu begreifen, dass unsere Welt ein Glücksfall ist, wie man ihn nicht an jeder Ecke des Universums noch einmal findet. Warum also losfahren zu Welten, die Gasriesen sind oder überhaupt Riesen (deren Schwerkraft uns zu Boden ziehen würde), die zu nah an oder zu fern von ihrer Sonne sind? Welten, die womöglich giftige Atmosphären haben oder Lava spuckende Untergründe?

Es gibt unseres Wissens nicht viele Planeten von unserer Sorte, aber – wenn wir ehrlich sind – wissen wir auch noch nicht sehr viel.

Es ist kaum zwei Jahrzehnte her, dass wir überhaupt Mittel und Methoden gefunden haben, andere Planeten zu finden. Wer damals nach Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gesucht hat, wurde in seinen Kreisen als allzu phantasievoll belächelt. Denn … selbst wenn es sie gäbe … Planeten sind dunkel. Wie will man sie über solche Entfernungen finden, wo wir doch Jahrhunderte brauchten, das Verständnis fürs eigene Sonnensystem zu bekommen?

Dennoch gibt es immer wieder Filme, in denen Menschen das tun: ins Weltall fliegen. Und sie erleben merkwürdige, abenteuerliche Dinge. Und weil sie nicht Jahre und Jahrzehnte lang in der Schwerlosigkeit schweben können, baut man ihnen im Film rotierende Raumschiffe, die eine Schwerkraft haben.


Vorhin stand ich auf dem Balkon und sah zum dunklen Horizont. Da war ein Stern (oder wars die Venus?) knapp am Untergehen. Ich stand wirklich nur kurze Zeit da und sah Stern oder Venus verschwinden, innerhalb einiger Minuten. Und ich dachte so bei mir: So schnell also dreht sich die Erde!

Und ich fragte mich: Warum wollen die alle raus ins Weltall? Sind wir da nicht schon?

Mit einer Art Riesenraumschiff, das rotiert, um Schwerkraft zu erzeugen, das Gärten, Wälder und Farmen hat, um die Reisenden zu versorgen, das eine eine großartige Ventilation hat. Nur an der unschädlichen Entsorgung der Abfälle müssen wir noch arbeiten.

Wir reisen durch das Weltall. 365Tage um die Sonne ( der Pluto hingegen schaffte nicht einmal eine Umrundung, ehe man ihn vom Planeten zum Zwerg erklärte.). Und die Sonne umkreist was oder wen? Und der/die von der Sonne Umkreiste umkreist wiederum seinerseits wen oder was?

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Vielleicht, denke ich, hätte sich Herr Shatner in seinem hohen Alter das nicht antun müssen. Einen Flug mit einem Raumschiff. Hernach sah er nicht wirklich gut aus. Denn eigentlich ist er doch alle Tage auf einem Flug durch das All.

Sprachengewirr

Als ich 15 war, fing mein Vater an, mit mir polnisch zu sprechen. Was mehr als eine Kleinigkeit zu spät war.

Zum Einen, weil Pubertäre eh nie tun, was man von ihnen verlangt, zum Anderen, weil eben kleine Kinder viel leichter Sprachen lernen.

Tja, Chance verpasst.

Dabei hätte er es besser wissen müssen. In Oberschlesien aufgewachsen, war er selbst von vornherein dreisprachig (Deutsch, Polnisch, Schlesisch), was ihm später nicht nur weiteren Spracherwerb, sondern auch manche Lebenslage erleichterte. Ich schätze, man (ent)kommt ohne halbwegs relevante Sprachkenntnisse nicht russischer Kriegsgefangenschaft, ohne entdeckt zu werden.

Zwar ist jetzt Polnisch nicht die allerschönste und auch nicht die weltmännischste Sprache. Aber darauf kommt es nicht an. Hat man erst einmal eine Fremdsprache im Repertoire, fallen die nächsten zwei, drei und so fort gar nicht mehr ganz so schwer. Und DAS ist dann weltmännisch.

Gleichwohl … gerade eben sehe ich einen polnischen Film (Vater fände es total prima, das im Original zu hören, genau so wie er damals Stanislaw Lem im Original las.) und klebe seit einer halben Stunde an den Untertiteln. Aber das Ohr ist ja deswegen nicht abgeschaltet. Ich höre mich wieder ein, erkenne mehr und mehr Floskeln, die längst vergessen schienen und vielleicht …

Es ist wie damals auf diesem Marktplatz am Balaton. Ein bisschen fühlte es sich an wie ein Nachhausekommen; fast alle Ferien der Kindheit hatte ich dort verbracht. Und plötzlich hatte ich nicht nur dieses bekannte Gefühl, sondern ich verstand. Mehr und mehr.

Das, denke ich mir, waren schließlich nur Ferien und eine Marotte meines Vaters. Wenn ich woanders leben würde, könnte es mir nicht passieren, dass ich Jahre und Jahrzehnte weiter in meiner Sprache bleibe. Das ist vielleicht ein Erbe meines Vaters, denke ich mir, der immer offen für weitere Sprachen war.

Schränke

Meine Leser erinnern sich vielleicht: Vor einiger Zeit dachte ich darüber nach, dass ich meinen Kindern bei meinem Ableben eine ordentliche, quasi besenreine, Wohnung hinterlassen möchte. Einiges an Sortier- und Aufräumarbeiten habe ich auch bereits erledigt.

Aber … ich bin ja noch nicht tot und beabsichtige auch nicht, dies in Bälde zu sein. Vielmehr beabsichtige ich, in Bälde in Rente zu gehen. Was eine erfreuliche Sache ist. Weil man da so viele Dinge tun kann, für die man vorher keine Zeit oder Muse hatte.

Meine Muse meldet sich gerade eben sehr stark. Ich möchte wieder malen, schreiben, mit dem Grafiktablett arbeiten, stricken, nähen undundund.

Für all diese Sachen braucht man Zeugs, das tunlichst nicht entsorgt werden darf.

Dennoch wünsche ich mir eine Wohnung mit klarer Linie und glatten Fläche. Etwas, das sich leicht sauber machen lässt, für das man keinen Staubwedel braucht, wo man ohne Scham Leute durchlaufen lassen kann.

Ich habe also einen Konflikt, denn meine Buchregale lassen sich NICHT leicht saubermachen und einen Staubwedel braucht man jedenfalls.

Meine Idee war, die Dinge in Schränken zu verstauen. Das geht für Bücher und alles andere Krimskrams auch. Und die Flächen sind glatt.

ABER … man muss alles erst rausräumen, wenn man etwas tun will. Dabei geht ein hübsches Stück Zeit verloren und am Ende ist die Luft raus, ehe man auch nur irgendwas angefangen hat. Ich hab das erfahren in meinem einstigen Atelier, das seit ein paar Jahren schon Allerweltszimmer ist. Da kann man Gäste empfangen, weil der Tisch wahnsinnig ausziehbar ist. Da kann man arbeiten (was ich im Homeoffice seit Monden und Monden tue). Da kann man malen. Wenn man den Balkontisch reinholt, sogar neben dem Homeoffice-Zeugs. Und da können Gäste schlafen, wenn man dieses Sitz-Liege-Dingens aufklappt und das Bettzeug aus der Truhe holt.

Ich habe mir bei der Einrichtung dieses Zimmers sehr etwas gedacht. Und, ja, auch einen Eckschrank gekauft, um das ganze Malzeugs, das früher frei und jederzeit einsetzbar auf dem Tisch stand, gut zu verstauen. Mit oben beschriebenem Effekt. Es dauert, alles zurecht zu stellen und raus zu holen und anzufangen. Und nicht selten ist vor der Möglichkeit des Anfangens die Luft schon raus.

Wenn ich, denke ich mir, mich entscheiden muss zwischen Kreativität und der Leere des Feng Shui, entscheide ich mich für die Kreativität. Denn Feng Shui mag zwar einfach in der Handhabung sein, aber glücklich macht mich die Kreativität.

Mich.

Schnecke!

Wir sind alle ja so vernünftig!

Wir reduzieren Fleisch oder lassen es ganz weg. (Wurst ist kein Fleisch!)

Wir reduzieren Zucker. (Kann man den ganz weg lassen? Ich denke: Nein!)

Wir rauchen nicht (mehr). (Ich wusste, dass ich nicht zum WIR gehöre.)

Wir kiffen nicht (mehr). (Ich bin eh immer nur eingeschlafen.)

Wir saufen … Alkohol ist doch eigentlich total vegan. Oder?

Whatever.

Es fing am Mittwoch an, glaube ich, da hatte ich kurz vorm Aufwachen einen Traum, der mich glücklich in den Tag entließ. Kennen Sie das? Sie werden wach, haben den Traum noch in den Knochen und wissen: Das wird ein guter Tag.

Wurde es auch.

Nein, es war kein Sextraum. Vermutlich bin ich simpler gestrickt.

Ich träumte (und dass ich den Traum nicht vergessen habe, sagt einiges aus) von so einer Art Konditorei. Zuerst sah sie aus wie eine Galerie. Ziemlich leer und nur auserlesenes Publikum. Aber dann kamen diese kleinen niedlichen Asiatinnen, die irgendwelche Kunststücke machten und am Ende hielt man tatsächlich so ein in durchsichtige Folie geschlagenes Kunstwerk in der Hand. Während des Prozesses jedoch langten alle Besucher, Käufer oder wie auch immer man die Kunden dort nannte, nach Krümeln, die abstanden, abfielen oder so. Es schien zur Prozedur dazu zu gehören.

So glücklich mich dieser Traum auch machte, und zwar den ganzen Tag lang, so klar wurde mir aber auch, wie ewig lange ich schon keinerlei Konditorenkunst mehr zu mir genommen hatte. Ich fragte mich sogar, ob es überhaupt noch Konditoren gibt. (Ja, natürlich, keine fünf Kilometer entfernt ist einer, der sogar Preise eingeheimst hat.) Und dennoch ist das nicht das Gleiche. Denn früher, erinnere ich mich, war fast an jeder Ecke ein Bäcker. Der auch Torten machen konnte. Da, schien es, unterschied man gar nicht. Überall lächelten einen fette Torten an. Und man selbst lächelte, ohne jegliche Bedenken, zurück. Erstaunlicherweise waren wir damals weder fetter noch kränker als heute.

Weil wir es nicht täglich taten, wie wir auch nicht täglich Fleisch aßen oder Eier oder Käse oderoderoder.

Man könnte sich fragen, wie wir überlebt haben. Schlank jedenfalls. Und ziemlich gesund. Und ziemlich bewegt, denn wir fuhren nicht jeden Meter mit dem Auto.

Jugendliche Schlaumeier wollen uns heute erzählen, wie wir uns zu verhalten haben. Was reichlich lächerlich ist, weil wir das wissen. Ganz ohne Jogging und Fitness-Studio schafften wir Kalorien weg. Jeden Tag drei Eimer Kohlen in den dritten Stock hoch schleppen; jeden Tag eine Stunde Arbeitsweg per pedes, bei dem wir die zwei Kinder im Hort und der Kita abluden. (Abends das Gleiche rückwärts.) Uswusf.

Angesichts solcherart Gedanken hatte ich heute beim Wochenendeinkauf keinerlei schlechtes Gewissen, als ich im Gebäckregal nach einer von diesen klebrigen Rosinen-, nein, Nussschnecken griff, die ich inzwischen zur Hälfte abgewickelt habe. Zwar hasse ich dieses klebrige Gedöns (Mein Sohn ist mein Sohn, stellte ich dabei fest. Er liebte zwar Marmeladenbrötchen, ließ sich dabei jedoch bis er vier war, obwohl er alles andere längst selbst aß, füttern, weil er die klebrigen Finger hasste.), aber die Gier ist größer. Und, ja, da ist ja der Wasserhahn, mit dem man den Bapp abspülen kann.

Schlechtes Gewissen: Niente!

All diese Spielregeln taugen nichts, wenn man nicht dahinter steht. Und wahrscheinlich wäre fette Torte (wie im Traum) sehr viel kalorienlastiger.

Bahncard 100

Stellen Sie sich vor: Sie haben plötzlich die totale Freiheit. Z.B., weil Sie Rentner werden. Und Sie kaufen sich eine Bahncard 100. Die es Ihnen ermöglicht, sich in jeden Zug zu setzen und los zu fahren.

Sie packen eine kleine Tasche ( in meinem Fall eher einen Rucksack) und gehen los. Sie schauen, was der Bahnhof zu bieten hat, und steigen ein.

Gestern, z.B. sah ich einen Bericht über meine Heimatstadt und wäre fast in Tränen ausgebrochen angesichts dessen, was die „Reiseführerin“ sehr distanziert und von außen betrachtete, ich aber mit persönlichen Erlebnisse verband. An dieser und jener Ecke hatte ich dieses und jenes erlebt. Wo die fröhlichen Touristen am Wasser saßen, hatte ich mich als Kind abends heimlich hin geschlichen und da, wo jetzt Bäume standen, war einstmals eine Leinwand aufgebaut, auf der ein Freilichtkino nach Einbruch der Dämmerung Filme zeigte.

Vor ein paar Wochen hatte ich, angesichts meiner bevorstehenden Rente, ein weiteres Mal den Gedanken eines Umzuges nach Schwerin aufgegriffen. Was eine schöne Stadt ist, in der die Wohnungen dank des Einwohnerschwundes erschwinglich sind. Vielleicht erweise ich mir mit diesem Blog nichts Gutes, weil auch andere interessiert werden könnten. Andererseits denke ich mir (was ich auch an mir beobachte), der Umzug in ein anderes Bundesland ist schon eine Herausforderung. Ich selbst hadere, weil angesichts meiner Pläne mir klar geworden ist, dass manche Dinge unbezahlbar sind: die Nachbarn, die mir Frühstücksbrötchen mitbringen, der Nachbar, der mir Teile seiner Paprikaernte überlässt, die Freunde/Kollegen, die mir Schweres tragen helfen.

All das sind keine Selbstverständlichkeiten. Vielmehr baut man sich solche Netze über Jahre und Jahrzehnte.

Irgendwo anders hin zu gehen, heißt erst einmal: gänzlich ohne derlei Netze zu sein. Die alten Netze tragen nicht über Hunderte von Kilometern, denn andere Menschen, mögen sie einen noch so gern haben, haben auch ein begrenztes Quantum an Zeit, das solche Anreisen kostet.

Mit so einer Bahncard 100 jedoch kann man tun, was zu tun einem beliebt, ohne das Zentrum, das eigene Heim und die Netze aufzugeben.

Ich sah Berichte über Menschen, die ihr Heim aufgaben und denen diese Bahncard 100 genug war. Sie fuhren durch die Republik, gaben am einem Tag ihre Wäsche da in die Reinigung und kamen fünf Tage später wieder dort durch, um die Klamotten aus der Reinigung abzuholen. Sie lebten irgendwie im Zug. Und es machte ihnen nichts aus.

Das wäre mir nichts. Ich brauche mein Zuhause schon. Ich mag meine Wohnung und die Menschen drumherum. Aber … vielleicht …, würde es mir gefallen, meine Freiheit auszureizen. Solange ich es noch kann.

Mittel

Der Mittelbraune sagt, dass er, wenn er aus seinem Tesla steigt, für einen Drogendealer gehalten wird.

Der Südsüdeuropäer sagt, dass er mit seinen (hellhäutigen) Kindern auf dem Spielplatz für deren Babysitter gehalten wird.

Ist das wirklich so?

Der Spot einer Kampagne für Antirassismus führt diese beiden Beispiele an.

Ich bin verwirrt. Ebenso wie vor ein paar Wochen als die Freundin meines Sohnes (seit 6 Jahren ist sie das) mich fragte, was ich von ihr als Farbiger halte.

Ups! Meine Schwiegertochter ist farbig?, sagte ich zu mir. Ist mir noch gar nicht aufgefallen.

In Wahrheit ist sie eher irgendwie mitteldunkel, was mir wurscht ist. Weil es nicht darauf ankommt, sondern darauf, wie gut sie mit meinem Sohn zusammen passt. Und das schätze ich für gut ein.

Wenn ich anfangen würde, das Äußere der Menschen in meinem Umfeld als Maßstab für deren Beurteilung zu nehmen, würden mir dicke, schiefzahnige, ungepflegte usw. ( gar nicht zu reden von charakterlichen Makeln) aber zuerst auffallen müssen.

Was sie nicht tun. Ebenso wenig wie Menschen, die nicht aus meiner Gegend kommen. (In Wahrheit komme ich nicht aus der Gegend der Menschen hier.)

Was ich nicht schätze, sind Menschen mit schlechtem Benehmen. Wenn da wer sagt (was letzthin hier mehrfach passiert ist): „Eij, isch mach dich ferdisch wie in Idar-Oberstein!“, dann ist mir egal, wie hell- oder dunkel- oder garnichtbraun jemand ist. So einer ist ein Arsch und kreuzgefährlich. Und gehört bestraft. Schon allein für die Androhung einer Sache, die durchzuziehen er vielleicht gar nicht vorhatte. Denn der Zugbegleiter, den so eine Ansage trifft, kann das nicht wissen.

Ich, und das, denke ich, sollten wir alle beachten, bin kein Rassist (und da ist kein „ABER“; ich bin es einfach nicht). Gleichwohl bin ich kein Freund der übergroßen Vorsicht, die ängstlich vermeidet, Anstoß zu erregen.

Wer nicht rassistisch angegangen werden will, soll die Spielregen einhalten.

Ich, ganz ehrlich, würde einen mittelhelldunklen Tesla-Fahrer erst einmal für gar nichts halten. Und einen südsüdeuropäischen Kinderbegleiter auf dem Spielplatz hielte ich für einen prima Vater. Und die Freundin meines Sohnes ist die junge Frau, die ihn glücklich macht. Sie hat eine Farbe? Ach nee.