Hat ja gar nicht weh getan!

Ich hasse Bürokratie. Wozu allerhand Anträge, Gesuche und all das gehören. Da bin ich vermutlich nicht allein. Merkwürdig an dieser Sache ist jedoch, dass ich selbst Bürokrat bin. Eigentlich Zeit meines Lebens, mindestens jedoch seit paarunddreißig Jahren.
So lange schon bearbeite ich Anträge von anderen nach bestem Wissen und Gewissen.

Wenn es aber um meine eigenen geht, bin ich mit zunehmendem Alter nachlässig bis schlampig. Und besonders hasse ich es, diesbezüglich irgendwelchen Terminen zu unterliegen. Noch mehr, wenn diese Termine verbunden sind mit irgendwelchen Strafandrohungen.

Was umso witziger ist, als ich selber so etwas alle Tage mache. Ich habe Erfahrungen mit Menschen, die – genau wie ich in den letzten Jahren – ihre Missachtung der Bürokratie gegenüber offen kund tun. Ich weiß nur zu gut, wie mit denen umzugehen ist.

Irgendwann ist eine Schmerzgrenze erreicht bzw. überschritten, die auch die Widerwilligsten dann doch dazu bringt, ihren gesetzlichen Pflichten nachzukommen. Für die meisten reicht die Androhung von irgendwas. Und wenn dieses Irgendwas mit Geld zu tun hat (Bußgelder, Ordnungsstrafen etc.), dann springen sie wie die Hasen. Manchmal kann Untätigkeit teuer werden.

Auch ich bin dagegen nicht gefeit. Die letzte Androhung lautete auf 400 Euro, was ja eigentlich nicht viel ist. (Ich selbst habe schon höhere ausgesprochen und war damit meist erfolgreich.) Aber für einen Ärger darüber, dass frau, wenn sie denn endlich täte, was sie zu tun verpflichtet ist, sich dieses Krams ersparen könnte, reicht auch das aus.

Nach einer ersten und zweiten Mahnung und schließlich dieser Strafandrohung handelte ich einen Terminaufschub aus, den ich nun bis zum letzten Moment ausreizte.

Heute (drei Tage vor Terminablauf!) tat ich nun, was ich schon vor Monaten hätte tun sollen und können. Ich stellte den Wecker auf Viertel vor Sechs und setzte mich an den Tisch, der noch vor wenigen Wochen mein dienstlicher Arbeitstisch gewesen ist. Genau um Siebenuhrelf war ich fertig und fragte mich, warum ich so lange gehadert hatte.

Aber diese Frage teile ich wahrscheinlich mit vielen meiner „Kunden“ .

Um Neunuhrzwei gab ich den Antrag beim Postdienstleister ab, der mir nicht verbindlich sagen konnte, dass der Antrag termingerecht da sein würde.

Aber, scheiß drauf!, das Ding ist weg.

Und eine Last mehr von meiner Seele.

Irgendwann später werde ich darüber nachdenken, warum ich mir das immer und immer wieder antue.

Irgendwann.

Termine, Termine …

Jetzt im Februar häufen sich die Geburtstage. (Ich bin versucht, auszurechnen, wann die Paare sich inniglich fanden, um Kinder gerade eben zu bekommen.) Und zwischendrin der Kennenlern- und Hochzeitstag, den wir eben so legten, damit ER sich nicht noch ein neues Datum merken muss. (Männer sind gerne vergesslich in dieser Hinsicht.)

Alles so lange schon her. Die Geburten wie die Hochzeit, der – natürlich – ein Kennenlernen vorausging.

Und dann das Horoskop, das mir für morgen große Glückseligkeit verheißt.

Draußen windet es so sehr, dass es mir die Abdeckung meines Frühbeetes 50m weiter fortgeweht hat. Und als ich von der Arbeit heute heimging, hagelte es mir auf den Schädel und alle Pläne waren passé. Eigentlich wollte ich …

Noch fünf Wochen, denke ich, fünf Wochen bis …

Meine Geschäftsleitung schrieb mich heute an, eine M.M., die anscheinend nicht sonderlich helle ist, und wissen wollte, wann und wie ich meine Verabschiedungsurkunde haben wolle. Auf Anfrage erklärte ich ihr, wann mein letzter Arbeitstag ist und gleich darauf teilte sie mir mit, dass meine Urkunde (für langjährige Dingens), die mein Teamleiter hatte überreichen sollen, einen halben Monat später gesandt werden würde.

Wir sind nun überein gekommen, dass sie mir das Teil nach Hause schicken.

Ich brauche kein großes Bohei. Und offenbar haben sie ja sowieso Probleme, Termine in Einklang zu bringen.

Fünf Wochen, denke ich mir, sind ein Klacks.

Zum Glück gehts dem Frühling entgegen.

Alexa, spiel ein Liebeslied

Wie bei vielen Anderen ist Corona auch bei mir angekommen. Also nicht so wirklich krankheitsmäßig, sondern mehr so psychisch.

Ich beobachte, dass irgend etwas in mir nachlässt, schwächelt und einschlummert.

Meine reizenden Nachbarn, die mir in den letzten Monaten näher gekommen sind als in manchem Jahr zuvor, sehen in mir einen kreativen Menschen. Und wirklich bin ich das irgendwann gewesen. Aber ehe ich es mich versah, kamen mir all diese Dinge abhanden. Die Malerei, die Schreiberei, die Objekte aus gefaltetem Papier.

Auch die Ankäufe von Stoffen und Garnen für kreative Bekleidung blieben nurmehr ein Impuls, der sich mehr aus dem Haben als aus der Freude am Gestalten nährte. Zwar ist da eine Weste (die mir nicht wirklich gefällt und bestenfalls noch ETWAS werden könnte, wenn ich sie zur Jacke mache) und ein Pullover, dem noch die Ärmel fehlen. Aber die Begeisterung ist nicht wieder gekommen.

Und das mir, die ich mich vom Flow ernährte wie andere von Pizza.

Über manches Jahr stürzte ich von der Arbeit nach Hause, um voller Begeisterung weiter an dem zu tun, was ich gerade in Arbeit hatte. Immer war da etwas, das ich fertig stellen wollte, schon mit etwas Anderem im Hinterkopf, das an der nächsten Ecke auf mich wartete.

Ich schlief ein mit den Gedanken daran, wie diese und jene Sache am Besten zu machen sei. Und ich wachte oft genug lachend auf, weil sich im Schlaf Lösungen eingestellt hatten für Probleme, die sich aus diesem WIE ergaben.

Ich war ein glücklicher Mensch.

Jetzt aber bin ich eine faule, fette Drohne, die sich schwer damit tut, irgend eine Sache erst nur in Angriff zu nehmen.

Heute habe ich beschlossen, etwas daran zu ändern.

Da mein Arbeitszimmer der dienstlichen Ausstattung entleert ist, fand ich es eine gute Gelegenheit, die Malsachen wieder vor zu holen. Und ich schaltete den Fernseher ein, der mir – siehe Überschrift – einen Verbalkontakt mit Alexa vorschlug. Seit ich weiß, dass Alexa (was früher spaßig war) auf unziehmliche Angebote nicht mehr eingeht, dafür aber allerhand Dinge aufzeichnet, von denen ich ich nicht möchte, dass sie aufgezeichnet werden, habe ich sie zum Schweigen verurteilt. Youtube finde ich auch ohne sie.

Und so habe ich Aretha Franklin angeworfen, den Kopfhörer aufgesetzt und den großen Pinsel genommen, um wieder einmal MEER zu malen. Es ist, wenn auch kein Meisterwerk, besser geworden als beim letzten Mal. Und, was noch viel besser ist, die alten Gefühle kamen wieder hoch.

Keine Ahnung, ob alles wieder genauso wird wie früher. Aber es fühlte sich schon ziemlich gut an.

Ziemlich gut.

36

Homeoffice ist prima, habe ich gedacht, vor ziemlich genau zwei Jahren, und mich geärgert, dass meine Chefin sich so schwer tat, die vorherige Übereinkunft über einen(!) Tag Homeoffice in der Woche weiter zu verlängern.

Noch am 14.März diskutierte sie mit mir, warum ich das unbedingt brauche, und äußerte ihre ablehnende Haltung. Am 18.März stand auf meinem Schreibtisch ein MAP und der PC wurde abgebaut. Ich wurde nach Hause geschickt. Und da bin ich noch heute. Nicht ganz, aber beinahe zwei Jahre später.

Zwischendurch, irgendwann im ersten Herbst, sprach ebenjene Chefin von unserer Rückkehr ins Büro. Und wieder dauerte es keine Woche, dass die Weisung erging, wir mögen – möglichst! – weiter zu Hause arbeiten. Diese Chefin hat offenbar ein sauschlechtes Gefühl für Timing. Als ihr das selbst bewusst wurde, hat sie sich in den langfristigen Krankenstand abgemeldet, wo sie noch heute ist.

Im Gegensatz zu mir, die ich noch immer im Homeoffice bin und gründlich die Nase davon voll habe.

Ich nehme zu, weil mich nichts mehr nach draußen zwingt. Ich friere ständig aus ebendiesem Grunde und werde nur schwach von dem Umstand getröstet, dass ich jederzeit den Griffel fallen lassen und in die wärmende Badewanne steigen kann.

Was mich aber neuerdings am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass ich dumm genug bin, bei nicht ausreichend getaner Arbeit die Kiste am späten Nachmittag bis in den Abend hinein noch einmal anzuschmeißen. Muss ja gemacht werden, grumpft das Arbeitstier in mir, und – ehe ich es mich versehe – ist Tagesschau-Zeit und ich dämmere vor der Kiste vor mich hin bis irgendwas in mir sagt: Wenn du nicht ins Bett gehst, bist du morgens nicht früh genug wach.

Früh genug ist morgens vor sechs, damit ich rechtzeitig um Sechs die Kiste am Laufen habe.

Dieser Tage wurde mir klar, dass ich ein Sklave bin.

Was ich nicht sein will und auch nicht sein werde angesichts der Tatsache (und da kommt jetzt die Überschrift), dass ich nurmehr 36 Tage noch zu arbeite haben werde.

Nach 48 Jahren ist das jetzt kein Superluxus und längst verdient.

Finde ich.

Ab nun die Arbeit ebendort am Arbeitsplatz zu absolvieren und von ebenda genau nach Ablauf der täglich vereinbarten Arbeitszeit weg zu gehen, ist nur recht und billig. Hätte die wenig Timing-begabte Chefin mich dort belassen (dürfen), wäre es nicht anders.

Und es ist gut so.

Mögen die (letzten) Spiele beginnen.

PS: Endlich kann ich im bisherigen Arbeitszimmer wieder mein Malzeugs aufstellen. Das wird Spaß machen!

PPS: Heute kam der Rentenbescheid.