Wie ich beinahe die Mondfinsternis verpasst hätte

Für Menschen mit astronomischem Interesse wie mich gibt es ein paar Dinge, die man eben gesehen haben muss. Koste es, was es wolle. So eben auch Mondfinsternisse wie heute morgen.

Ich wusste schon vorher, dass es schwierig werden würde, denn die Finsternis sollte ihren Höhepunkt um Fünfuhrpaarundzwanzig erreichen, Sonnenaufgang war aber schon um Fünfuhrzehn.

Egal.

Ich stellte den Wecker auf 04:45 Uhr, sprang auch gleich putzmunter heraus, verzichtete auf jegliche Morgenhygiene (dafür war später noch Zeit) und stürzte auf den Südostbalkon. Denn aus den Beobachtungen der letzten Nächte wusste ich, dass der Mond dort hinter dem Hügel untergehen würde.

Ein bisschen, dachte ich, würde ich schon sehen. Und ahnte nicht, was so ein bisschen Hügel mit dem Horizont macht. Er hebt ihn an. Und lässt den Mond schneller verschwinden. Der Mond stand ganz kurz über dem Horizont, war erst zu drei Vierteln abgedeckt und kriegte schon tüchtig Licht von der aufgehenden Sonne ab.

Pustekuchen! Nix Blutmond.

Aber ich gab nicht auf, holte den Laptop hervor und suchte nach „Mondfinsternis live“, denn irgendwer filmt doch irgendwie immer alles.

Was ich fand, übertraf meine kühnsten Erwartungen, denn Menschen aus allen von der Mondfinsternis betroffenen Teilen der Welt hatten sich zusammen gefunden, mehrere Cams waren geschaltet und es traf sich eine Community der besonderen Art.

Die beste Sicht (oder Kamera) hatten sie in Marokko, dann waren da noch San Diego, Tuscon und ich weiß nicht mehr wo.

Am Besten aber waren die Kommentare, die außer vielfältiger Begeisterung in allen Sprachen auch ein paar Spinner („Jesus lebt!“) versammelten und Flacherdler (Nicht, dass die keine Spinner wären.) mit der Behauptung, dass das alles gelogen sei, weil es nicht wirklich in ihr Weltbild passt.

Alles in Allem eine gute, weltumspannende Zusammenkunft, auch wenn die Teilnehmer aus Toronto, Main und UK vermeldeten, dass sie wegen der Wolken rein garnüscht sehen könnten.

Aber dafür gibt es ja das Netz.

Lebensgefährlich

Nicht ahnend, wie gefährlich der heutige Tag sein könnte (er sah vielmehr aus wie ein ganz schöner, sonniger, warmer Tag, an dem frau gerne ein wenig flanieren geht) spuckte mir mein PC in der Fußleiste das Wort „WARNUNG!“ entgegen. Natürlich weiß jeder gern Bescheid, was denn da nun so gefährlich ist, gerade dann, wenn alles so harmlos, nett und erfreulich aussieht. Und ich erfuhr, dass da Wind ist.

Aha! 50 bis 60 Stundenkilometer. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, welcher Windstärke das entspricht. Zwar ertappte ich mich einen Moment lang dabei, meine offene Markise etwas besorgt angesehen zu haben. Aber das lag weniger an diesem Besorgnis erregenden Wind als der Tatsache, dass ich Handwerkern und Material nie getraut habe, die nach der Hausdämmung anstelle der alten, soliden Markise ein von Anfang an sehr wackliges und wenig rissfestes Ding ( Billigware, die dem Geiz des Vermieters geschuldet ist, der zuerst meinte, gänzlich ohne auskommen zu können) montiert hatten.

Nie und nimmer hätte ich geglaubt, dass Wind an sich, also solcher Wind, den man am Meer, wo es einem schon mal die schweren Badetücher weg weht und die Liegestühle umhaut, belächelt haben würde, gefährlich sein könne.

Woher, frage ich mich, kommt unser Drang, immer mehr natürliche und früher als eben nicht gefährlich angesehene Dinge nunmehr als bedrohlich anzusehen? Sind wir inzwischen so weit, dass alles, was mit Natur zu tun hat, uns nicht geheuer vorkommt?

Andererseits: Die Natur allein kanns nicht sein.

Auch auf meiner Zigarettenschachtel steht: „Rauchen ist tödlich!“ im Gegensatz zu früher: „Rauchen kann tödlich sein“, was immerhin dem Umstand Rechnung trug, dass es hundertjährige Raucher gab, die, wenn es denn so weit war, nicht am Rauchen, sondern an Altersschwäche gestorben sind.

Früher sagten sie:

„Alkohol und Nikotin rafft die halbe Menschheit hin;

ohne Alkohol und Rauch stirbt die andere Hälfte auch.“

Was natürlich euphemistisch ist. Rauchen und Saufen SIND nicht gesund. Wobei … so einem Gläschen Wein hier und da, auch regelmäßig, aber in Maßen, sagt man sogar eine gewisse gesundheitsfördernde Wirkung nach.

Ach, nichts Genaues weiß man nicht. Und Übermut(-maß) tut selten gut.

Und dennoch schauen wir heute, wo unser Leben insgesamt besser, länger und ungefährlicher ist, viel mehr auf alle möglichen Gefahren als früher. (Irgendeiner von diesen heute wenig geachteten Herrschaften äußerte dermaleinst: „Kerle, wollt ihr ewig leben?“. Das, freilich, hatte andere Beweggründe, kommt bei mir aber gelegentlich auch nach oben.)

Wie lange wollen die Leute leben und, warum?, wenn ihr Leben bei all den Einschränkungen, die sie sich selbst auferlegen, am Ende so wenig Spaß macht?

Menschen machen Diäten, weil Übergewicht nicht gut für Herz und Kreislauf ist, verzichten auf Zucker und Salz aus ebendiesen Gründen, obwohl doch gerade die den Geschmack in unser Leben bringen. Menschen haben krampfhaft ihren Schrittzähler im Auge, statt nach den Vögeln und Käfern und Fröschen zu sehen, denen sie auf dem Weg zu ihren 10 000 täglich begegnen. Menschen gehen abends Punkt 22.00 Uhr ins Bett, weil regelmäßiger Schlaf gesund ist, statt sich an den Sternen und dem zu- und abnehmenden Mond zu erfreuen. Und sie erwarten, dass auf ihrem Kaffeebecher-to-go steht, was sie eh wissen: Frischer Kaffee ist heiß und man kann sich an ihm verbrennen.

Menschen zweifeln alles Mögliche an, beschreiten z.T. extreme Wege und pflegen Intoleranzen (Laktose, Gluten etc.), von denen früher keiner etwas wusste.

Apropos Intoleranz: Kennen Sie die, die sich neben die Raucher stellen, welche extra nach draußen gegangen sind, um niemanden zu belästigen, um dann auffällig hüstelnd um Rücksicht zu bitten?

U Can´t Touch This

Manchmal, wenn ich so morgens auf der Waage stehe, frage ich mich, wie wir das früher nur gemacht haben. Kein Sport, kein Studio und doch Normal- bis Idealgewicht.

Und dann fällt mir ein, dass kleine Kinder einen fordern. Wenn sie zu schnell voran laufen und man hinterher muss, damit sie nicht überfahren werden und all das. Später dann, da waren die Kinder schon älter, gingen wir in die Disco. AMI-Disco. Da spielten sie so Zeugs mit viel Bässen und viel Rhythmus. Und man musste sich ordentlich bewegen. Da wurden die Pfunde runter geschüttelt, ohne dass man sich der Anstrengung bewusst war. Manchmal, freilich, ging einem die Puste aus. Aber dennoch fühlte man sich gut und hatte Spaß.

Manchmal, nicht immer, gefällt mir das auch heute noch.

Ich stehe an der Balkontür, froh, dass viertel nach elf wenigstens jede zweite Straßenlaterne ausgeschaltet wird und mich nur sieht, wer genau hinschaut. Und dann fällt mir ein, was sie mich in der Reha lehrten: Gleichgewicht trainieren durch Anheben eines Beines und (wenn man gut drauf ist) das andere dabei einknicken. (Ungeübte dürfen sich dabei gerne irgendwo festhalten bis sie sicher sind, dass es auch ohne geht.) Fühlt sich gar nicht so schlecht an.

Inzwischen bin ich bei SUMMERTIME. Ich und Will Smith waren damals noch viel jünger. Er noch kein Scientologe und auch noch nicht vom Backenstreich beim Oscar gezeichnet.

So geht sie hin die Zeit.

Und über all dem steht die wahnsinnig schmale Mondsichel, die sich zu amüsieren scheint über diesen Mischmasch aus Nostalgie und Reha-Sport.

Operative Zellstoffsteuer

Neulich las ich auf einer dieser Nachrichtenseiten die Meinungsäußerung einer was-auch-immer-Expertin, die es – mit meinen Worten – blöd fand, dass und wie sich die heutige Generation (natürlich ist es nicht nur eine, aber eben eine Zeiterscheinung) als Umweltschützer geriert, indem sie neue Dinge kauft: Zahnbürsten aus eben-nicht-Plastik, Klamotten aus …Umweltschutz, energiesparende Geräte.

Ihnen allen ist eigen, dass sie, um ihre hehren Umweltideen umzusetzen, etwas Altes wegwerfen, um etwas Neues zu kaufen. Und sie scheinen nicht einen Moment lang darüber nachzudenken, dass sie mit eben diesem Handeln zum Einen dem Kapitalismus in die Hände spielen, der davon lebt, Bedürfnisse zu produzieren, die wir früher nicht hatten, zum Anderen die Müllberge noch ein Stück weiter erhöhen und damit der Umwelt schaden.

Keineiner von ihnen denkt darüber nach oder rechnet einmal durch, WIE der Umwelt mehr geschadet ist: Indem ich das alte Gerät behalte und geringfügig mehr Energie verbrauche oder aber indem ich das alte Gerät wegwerfe und den Energie- und Materialverbrauch für die Herstellung eines neuen Gerätes billigend in Kauf nehme, um künftig geringfügig energieeffizienter zu hantieren.

Das sind Dinge, über die man schon einmal nachdenken kann.

Wenn man sichs leisten kann. Jene, die nicht, also: es sich leisten können, haben wohl keine solchen Wohlstandsprobleme. Bei denen laufen Waschmaschinen, Kühlschränke, Fernseher etc. so lange bis es eben nicht mehr geht. Denn das Thema fängt ja erst bei der Bambuszahnbürste an, geht aber sehr viel weiter. Herr Musk z.B. wird sich freuen über jegliches Umweltbewusstsein, das da im Kauf eines e-Autos gipfelt, jedoch nicht danach fragt, ob die seltenen Erden, die u.a. dafür gebraucht werden, von Kindern geschürft oder die Menschen in Meck-Pom ihres ohnedies spärlichen Grundwassers beraubt werden.

Ich erinnere mich an meine Beschäftigung dermaleinst im Osten, wo wir ja bekanntermaßen nichts hatten. Ich arbeitete im Versorgungskontor für Papier und Bürobedarf. Da sich kein Mensch mehr daran erinnert, dass es so etwas gab, kann ich das getrost sagen. Wir handelten mit Papier und seeehr viel anderem. Wir hatten mit Druckern (das waren damals noch Menschen) und Buchbindern zu tun ebenso wie mit Toilettenpapier, das damals (man höre und staune) gelegentlich Mangelware war. Das ostdeutsche Toilettenpapier war insgesamt nicht schön, so dass Mangelerscheinungen eher etwas Positives hatten, denn wenn es mangelte, importierten wir und bekamen statt des grauen, nicht weichen, das weiße, kuschlige.

Vieles, und damit kommen wir zum Titel (obwohl das damalige Sortiment dadurch keineswegs abgedeckt ist) hatte mit Zellstoff zu tun. Aus dem bekanntermaßen Papier hergestellt wird. Die ostdeutschen Wälder waren begrenzt. So dass es die o.g. Steuer gab. Die weniger monetären, als eben Steuerungscharakter hatte. Alles mit Zellstoff wurde hochgradig im Auge behalten, denn wenn das eigene Aufkommen nicht ausreichte, mussten wir importieren, was Devisen kostete, von denen der Osten bekanntermaßen nicht viel hatte. (Was wir hatten, resultierte aus Geschäften, die ich mal als „nicht auf Augenhöhe“ bezeichnen würde. Nur so als Beispiel: Die gleichen Strumpfhosen, für die die ostdeutsche Frau 14 Ostmark bezahlen musste, kostete im ALDI 99 Pfennige.)

Kurzum: Wir mussten sparen und haushalten auf allen Strecken, wenngleich ich auch heute noch entschieden widerspreche, wenn irgendwer behauptet, wir hätten gehungert. DAS stimmt nicht, denn Grundernährung war staatlich subventioniert. Keiner, der sich kein Brot vom Bäcker (1,24 OM für 4 Pfund und 0,05 OM für ein Brötchen) hätte leisten können. Ebenso die Mieten, die (nach meiner Erfahrung im Westen) ein Zehntel des hiesigen Preises gekostet haben (Währungsgefälle außer Betracht gelassen). Subventioniert wurden auch: Kinderkleidung, Kultur (Bücher, Eintritte auf Veranstaltungen, in Museen) undundund. Vielleicht wurde ein wenig zu viel subventioniert. Aber gut. Immerhin hatten wir so eine Ahnung, dass es beim Schwein nur zwei Lenden gibt, und nicht jeder allzeit eine solche sich leisten kann.

Warum ich all das schreibe?

Es gibt heute Menschen, die in einem Krieg, der nicht der unsere ist, uns aber irgendwie mehr betrifft als gedacht/ gewünscht, eine Stellung beziehen, die ich erstaunlich, befremdlich oder was auch immer, jedenfalls nicht gut, finde.

Sie haben Angst um unseren Wohlstand, der durch eben diesen Krieg (der offenbart, wie sehr wir nicht mehr in der Lage sind, uns selbst zu versorgen) bedroht ist. Der obendrein offenbart, dass und wie sehr unser Wohlstand daraus resultiert, dass unsere Versorgung durch Länder abgedeckt ist, deren Lohn- und Währungsgefälle uns zugute kommt (man erinnere sich an die Strumpfhosen).

Manchmal, denke ich, sollten wir von unserem hohen Ross herunter kommen.

Und vielleicht, fürchte ich, werden wir wider besseres Wollen, durch die derzeitige Situation lernen (müssen), uns zu bescheiden.

Ich als Ostdeutsche sehe da kein Problem; ich kenne das.