Das Böse im Menschen

Angesichts eines Blogs über Zustände in „Heimen für schwer Erziehbare“ im letzten Jahrhundert ging mir einiges durch den Kopf.

Erstaunlich fand ich, dass es offenbar eine Neigung gibt, solche zweifellos unbestreitbaren Zustände (inzwischen gab es ja genug Berichte darüber) in der eigenen Umgebung in Zweifel zu ziehen. In diesem Fall versteifte man sich darauf, dass es so etwas wohl „nur im Osten gegeben habe“. Was nicht falsch, aber eben nicht allein richtig ist. Es gab diese Dinge ÜBERALL.

Noch viel erstaunlicher aber ist, dass sich dermaleinst Menschen entschieden hatten, mit Kindern zu arbeiten. Woraus man doch folgern müsse, dass sie Kinder vielleicht doch irgendwann einmal gemocht haben müssen. Und zwar nicht auf diese unschickliche Weise, sondern wirklich und wahrhaftig und aus tiefster Seele. Was war mit denen geschehen?

Und dann fielen mir in zunehmendem Maße Menschen ein, die sich einst für eine Sache eingesetzt und sie im Laufe der Zeit in ihr grobes Gegenteil verkehrt hatten.

Lehrer, die sehr zynische Vorstellungen über Kinder (aber mehr noch: deren Eltern) entwickelt hatten.

Menschenrechtsanwälte, die – wenn schon nicht rassistische, so doch – zweiflerische Gedanken hinsichtlich des Asylrechts etc. ausbildeten.

Ärzte, die schon ihr ganzes Leben lang hatten den Menschen helfen wollen und auf ihre alten Tage nurmehr monetäre Interessen am Patienten hegten.

Entwicklungshelfer, die die Vorbehalte aller ehemaligen Kolonialherren über die Einheimischen der von ihnen unterstützten Länder bestätigten.

Undundund …

Sie alle (ok., die meisten) waren in ihren Berufen angetreten mit dem Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sie alle hatten zweifellos eine ganze Zeit lang nach ihren hehren Vorstellungen gelebt. Und doch waren dann eine Reihe von ihnen irgendwann an der Realität ihrer Berufe gescheitert.

Vielleicht hatten sie zu idealistische Vorstellungen gehabt, vom „süßen“ Kind, vom „edlen“ Wilden, vom unschuldig Verfolgten …?

Vielleicht aber reichten schon ein paar wenige Enttäuschungen aus, um den Rest derer, die ihre Zuwendung und Hilfe wirklich und wahrhaftig verdienten und brauchten, auszublenden?

Was oder wie viel von dem braucht es im Leben, um den Idealismus des Menschen abzutöten, ihn in sein Gegenteil zu verkehren, das Böse (das zweifellos in uns allen steckt) heraus zu holen?

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6 Gedanken zu “Das Böse im Menschen

    • kann ich mir vorstellen. meine schwester, die ihre grundschulkinder jahrzehnte lang beinahe genauso liebte wie die eigenen, ist in den letzten jahren auch „vom glauben abgefallen“. die ewigen kämpfe mit den eltern (oft nur im hintergrund der kinder) hatten sie am ende zermürbt.

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      • Und mir das Unverständlichste war, dass die mir als Mentorin anvertrauten Junglehrer mit den Augen rollten, wenn ich ihnen sagte, das Wichtigste sei es, die Kinder zu lieben! Über sowas lachte man, auch im Studienseminar, denn da hieß es, Leistung und Abprüfbares sei das Wichtigste!

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      • das eine muss doch das andere nicht ausschließen, erklärt aber immerhin, dass den großen wirtschaftsschulen (z.b. mckinsey) so unglaublich einfühlungsarme kader entspringen.
        übrigens wurde das ostdeutsche schulsystem bereits zu meiner zeit auch auf passgenauigkeit zum wirtschaftlichen bedarf abgestimmt. das hat aber andere pädagogische ansätze als leistungsdenken nicht ausgehebelt. man fragt sich, warum nicht das eine zusammen mit dem anderen funktionieren soll.

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