Der Lauf der Zeit

Heute hörte ich, dass im Fußballmuseum eine Telefonzelle steht und bereits mehrfach Kinder gefragt hatten, was das denn sei.

Vielleicht, wenn man sie anmalen würde, blau, würden die Kinder denken, dass es sich um die Tardis handelt, die sie vielleicht aus der Serie „Dr.Who“ kennen. Vielleicht aber auch nicht. Ganz sicher aber wäre ihnen nicht klar, dass die Tardis den englischen Polizeinotrufhäuschen nachempfunden ist. Wie sie auch nicht mehr wissen, dass man einst, vor dem PHONE sehr viel kostenintensiver und mit einem Draht daran telefonierte.

Einstmals (als ich selbst noch nicht im Besitz eines Telefons in meiner Wohnung war) beneidete ich die Menschen in den amerikanischen Filmen nicht nur um ihre allzeit bereiten Telefone (ja, sogar um das, das sich Doris Day mit Rock Hudson teilen musste), sondern auch um ihre ellenlangen Leitungen, die es ihnen ermöglichten, mit dem Hörer am Ohr meterweit vom Gerät entfernt zu telefonieren.

Es dauerte noch Jahrzehnte, ehe meinereiner mit einem drahtlosen Hörer in allen Teilen der Wohnung mit Menschen anderswo reden konnte.

Und doch, da wir über Telefonzellen sprechen, erinnere ich intensiv jene Telefonzellen, acht Stück an der Zahl, vor der Hauptpost, zu denen ich nächtens ging, um mit meinem fernen Freund zu telefonieren.

Irgendwann fand ich jene, die mir stundenlange Gespräche ohne jegliches Geld-Nachwerfen ermöglichte, ohne das Ferngespräche ansonsten gar nicht funktionierten.

Wir sprachen so manches verliebte Zeugs, ohne dass ich dafür bezahlen musste, ebendas sagen zu dürfen.

Und mich störte nicht, dass am Boden der Telefonzelle merkwürdige Flüssigkeiten zusammenliefen und unerfreuliche Gerüche nach oben stiegen und die Scheiben mit Dingen befleckt waren, deren Herkunft ich lieber nicht wissen wollte.

Ich war nur froh, sprechen zu können, was und so lange ich wollte.

Bis jener andere vor mir in der Zelle war. Und ihren Wert erkannt hatte. Mein Klopfen und Mahnen, er möge endlich fertig werden, damit auch ich …, ließ ihn kalt. Er verwies mich auf die anderen sieben Zellen, die ebenso stanken und befleckt waren, aber eben kostenpflichtig.

Ab da ging ich nachts nicht mehr in die Stadt. Und irgendwann, denke ich, werden sie den Apparat auch repariert haben.

Und dennoch waren diese schlaflosen Nächte mit stundenlangen Gesprächen meine glücklichsten.

Jedes Mal!

In so einem älteren Leben gibt es ja nicht allzu viele Höhepunkte.

Man freut sich dennoch immermal auf irgendwas und ist enttäuscht, wie jeder andere auch, wenn es nicht eintritt.

Halt bloß, dass in so einem älteren Leben die Vorfreuden seltener werden. 

Weil man so vieles schon erlebt hat. Das vielleicht am Ende doch enttäuschend war. Das dann doch nicht oder mindestens anders eingetreten ist. Das von irgendwas abgeändert wurde und dann doch nicht so erfreulich war.

Ich selbst bin ein bescheidener Mensch. Und ich erwarte nur selten etwas. Und eigentlich sind die Dinge, auf die ich mich freue, sehr einfacher Natur, und die Freude in ihrem Angesicht beruht auf sachlich-wissenschaftlichen Vorausschauen.

Wie zum Beispiel bei diesen Meteoritenschauern, die es regelmäßig gibt.

Z.B. die Leoniden. Im Gegensatz zu den Perseiden, die uns alljährlich im August ereilen, entfalten sich die Leoniden zwar regelmäßig, aber ganz besonders alle 32 Jahre, in denen sie den Schweif des Kometen Dingsbums treffen und dann so richtig losdonnern. Dieses Jahr ist eines von diesen besonderen Jahren.

Ich meine, Sternschnuppen sind prima, werden aber besonders durch die Möglichkeit (manche nennen es Aberglauben!), sich in ihrem Angesicht etwas wünschen zu können. Also wirksam(!) wünschen zu können. Du siehst so ein Ding und hast deinen Wunsch so parat, dass er dir nur so durchs Hirn und/oder über die Lippen flutscht. Denn schnell muss man schon sein. Nur ganz wenige Sternschnuppen sieht man mehr als aus den Augenwinkeln und länger als einen flüchtigen Moment. 

Wenn aber, wie eben bei den Leoniden angekündigt, stündlich irgendwas zwischen 50 und 100 (manche reden sogar von 250) Dingens da herunter kommen, sind die Chancen, da alles richtig zu machen, natürlich ungleich größer.

Und JEDES MAL, wenn ich bereit bin, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen, weil ich meine Wünsche nun endlich, endlich erfüllt haben möchte, kommt eine solch mistige Wetterlage dazwischen, die es völlig unmöglich macht, Irgendwas am Himmel zu sehen.

Aber pfeif drauf: Da sind ja noch die Geminiden und Ursiden.

Ich krieg meine Wünsche schon noch an den Mann.

Sicher.

Das Schweigen der Elstern

Seit Jahren wohnt hier in der Nähe ein Elsternpaar, das sich durch die bekannte Eigenschaft auszeichnete, stets sehr viel Lärm zu veranstalten. Schaute der Beobachter nach, was denn nun die Vögel so aufregt, fand man als Erklärung … genau nichts. Elstern waren halt so, laut, und zwar besonders am Morgen im Sommer, wenn man gerne noch ein wenig geschlafen hätte.

Seit einiger Zeit (und damit meine ich nicht erst dieses Jahr) jedoch hört man sie nicht mehr. Fast dachte ich, sie wären umgezogen. Weil spätestens seit Pittiplatsch, Schnatterinchen, Herrn Fuchs und Frau Elster* WEISS man doch, dass Elstern laut sind und unentwegt und meistens grundlos geckern.

Und doch sah ich sie, die nach meiner Erfahrung stets paarweise auftreten, damit sie auch Publikum bzw. einen Ansprechpartner haben, in diesem Jahr häufig in der Nähe. Auf eine merkwürdige Weise still geworden. Sie benahmen sich unauffälliger als beinahe alle anderen Vögel. Und ich verstand nicht, warum.

Inzwischen jedoch erfuhr ich, dass Raben und Elstern sich nicht wirklich gut vertragen. Sie fressen das Gleiche, sind also Konkurrenten, und rauben sich gegenseitig gern die Nester aus.

Da nun seit ungefähr der gleichen Zeit, dass die Elstern schweigsam wurden, sich in unmittelbarer Nähe ein Rabenschwarm in einem abgestorbenen Baum eingenistet hat, schließe ich, dass beides miteinander in Zusammenhang steht.

Tatsächlich tut jener, dessen Feind in der Nähe wohnt, gut daran, nicht allzu sehr auf sich aufmerksam zu machen. Besonders dann nicht, wenn dieser Feind dazu neigt, den eigenen Kindern zu schaden.

Man könnte es an dieser Stelle gut sein lassen mit den tief schürfenden Gedanken, wären da nicht jene Vogeleltern, denen jeder schon im Wald begegnet ist. Sie zeigen sich selten zutraulich, hüpfen auf dem Weg vor einem herum, geben sich gar flügellahm, sind aber nie so schwach, dass man allzu nah an sie heran kommt. Immer sind sie ein paar wenige Meter vor einem, haben es geradezu darauf angelegt, auf sich aufmerksam zu machen. Und fliegen dann, wenn sie einen erfolgreich von ihrem Nest weg geführt haben, auf, als wäre nichts gewesen.


Neulich las ich, dass Lehrer in der Schule (gerne bei den Kleinen) schon einmal altbekannte Kinderbücher beim Vorlesen „entschärfen“, wenn Eltern sich beklagen, dass die Texte zu grausam seien. Egal, ob es sich um die der Grimms oder von Wolkow** handelt.

Nun frage ich mich, welche Eltern ihren Kindern den größeren Gefallen tun. Jene, die in großes Geschrei ausbrechen, um ihre Brut zu schützen, oder die, welche auf die eine oder andere Weise das ihnen als Problem erscheinende Thema unauffällig lösen.

*https://de.wikipedia.org/wiki/Herr_Fuchs_und_Frau_Elster

**https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberer_der_Smaragdenstadt

Ich gestehe!

Ich gestehe, dass ich noch nie einen Kalbsbraten gemacht habe. 

Bis in der letzten Woche, in der mir ein prächtiges Exemplar geradezu in die Hände fiel. 

Ja, ich weiß, Fleisch ist böse. Und Kälbchen sind süß. Aber, dachte ich mir, es ist ja eh schon tot. Und bis dahin hatte ich mich nie versündigt.

Über sechs Jahrzehnte meines Lebens war ich zwar nicht frei von jeglicher, aber doch immerhin von dieser Sünde.

Und, eij, verflixt, ich habe es nicht bereut, obgleich es in heutigen Zeiten ja schon eine Sünde ist, den Herd 2 Stunden lang laufen zu lassen. Von den Zutaten gar nicht zu reden.

Ich erinnere mich, dass es in meiner Kindheit an jedem Sonntag einen Braten gab. Meist Schwein, manchmal Rind. Nie Kalb (das war zu selten undoder zu teuer).

Und ich erinnere mich, dass meine Mutter sich diese Bratensache, trotz allseitiger Familienbeteiligung am sonntäglichen Kochen (siehe: wie Thüringer Klöße, handgemacht, eine Vormittag füllende Beschäftigung für die ganze Familei sein können), nie aus der Hand nehmen ließ. Denn der Braten war quasi heilig. Wurde er versaut, war die Zelebrierung des sonntäglichen Essens hinüber. Darauf wollte sie es nicht ankommen lassen. Und es gab auch nicht die Möglichkeit, mal eben schnell anderswie auszuweichen.

Also waren Braten eine Sache, die ich erst nach meinem Auszug von zu Hause lernte. Und auch nicht wirklich, denn Braten kamen damals gerade aus der Mode, obwohl ich Soßen schrecklich mochte, mein ganzes Leben lang bis zum heutigen Tag.

Mein erstes selbst gekochtes Essen in der eigenen Wohnung war: Kartoffeln mit Senfsoße und Eiern. Das kannte ich bis dahin nur aus der Schulspeisung, wo ich es nicht sonderlich gemocht habe. Keine Ahnung, wer sich so etwas ausdenkt. Seither habe ich das nie wieder gemacht, denn es war eine Idee meines Ehemannes Nr.1, der sehr bald verschwunden war. Ebenso wie diese merkwürdige Essensidee.

Später, und das mochte ich wirklich, kochte ich viele Suppen. Mit viel Fleisch drin und allem, was mir sonst so in die Hände fiel. Meine Suppenfeten waren legendär und die Töpfe noch in der Hälfte des Abends praktisch ausgeleckt.

Jetzt aber, um zum Thema zurück zu kommen, musste es ein Kalbsbraten sein, der schon schmeckte, kaum dass alle Zutaten in den Topf gefunden hatten. Ich hatte im Netz nachgelesen, was frau so alles braucht, noch ein paar Kleinigkeiten nachgekauft, schlussletztlich beim Tun festgestellt, dass man um einIges mehr Wein braucht als noch in der Flasche war. Fast wäre ich sonntags zur Tanke gelaufen, um die Sache perfekt zu machen. Dann aber entschied ich mich dagegen. 

Es SCHMECKTE schon jetzt, ohne hinreichend Wein.

Sohni, der gelernte Koch, reagierte auf mein begeistert per Whats app gesandtes Bild nicht im Mindesten (und erklärte mir erst heute, man habe ja vor lauter Soße den Braten nicht sehen können). 

Aber:

ICH BEREUE NICHTS!