Wir sind wieder einmal empört. Und das irgendwie zu Recht.
Aber die Frage ist: Hat uns Empörung schon jemals weiter geholfen?
Es geht um Teichtmeister und seine 58000(!) Kinderpornos.
Die Einen fragen: Wenn es doch alle wussten, warum hat man nicht schon viel früher etwas getan?
Aber wer sind diese „Alle“? Und was genau haben sie „gewusst“?
Was genau eigentlich bedeutet Wissen heute in unserer -gar nicht so selten durch Gerüchte und falsche Experten – fehlinformierten Gesellschaft? Ist Hörensagen wissen? *
Gewusst, weil gesehen, hat irgendwann seine Lebensgefährtin. Und ihn angezeigt.
Andere wieder fragen: Warum hat es so lange gedauert, ihn anzuklagen?
58000 Dateien zu sichten, ist natürlich eine große Aufgabe. Wobei man sich fragen kann, ob man zur Anklageerhebung tatsächlich ALLE Dateien gebraucht hat.
Woran die Empörten jedoch nicht denken … ist nicht nur das geringe geschulte Personal der Polizei (das seit Jahren bis zur Besinnungslosigkeit herunter geschrumpft wurde – wer braucht schon Beamte?), sondern auch die Folgedelikte, die es zu ermitteln gilt:
Woher hat er die Dateien?
Wieviele Mitschuldige kann man auf diese Weise finden?
Wie wurden die Dateien bezahlt? Sind Schwarzgeld und Steuerhinterziehung im Spiel?
Und dann noch die Frage: Warum hat er nicht schon früher berufliche Konsequenzen zu spüren bekommen?
Aber wie soll das gehen ohne Anklage? War da nicht diese Sachen namens Unschuldsvermutung?
Oder sollen wir jetzt wieder dahin kommen, dass jeder, von dem man munkelt, er habe dies oder das getan, aus seinem Job genommen wird?
Und, daran anschließend, die Frage: Wie konsequent soll man jetzt, da Anklage erhoben wurde, mit den beruflichen Folgen sein?
Man hört, alle Filme mit Teichtmeister wurden aus dem Fernsehprogramm genommen. Er wird sozusagen außer Sicht geschafft. Früher nannte man das „geächtet“.
Was aber ist mit seinen Kollegen, die an den Produktionen mitgewirkt und nichts getan haben? Sind sie jetzt Opfer einer Sippenhaft, obwohl sie mit ihm nicht verwandt, vielleicht nicht einmal befreundet sind?
Und warum wird das aktuelle Theaterstück, an dem er mitwirken sollte, ganz aus dem Programm genommen, statt ihn zu ersetzen?
Gar nicht zu fragen, was mit der Oscar-Nominierung wird; auch hier sind all seine Kollegen mit-betroffen.
Es gibt schlimme Dinge auf dieser Welt. Die uns auf den ersten Blick sicherlich empören können und sollen.
Dennoch denke ich, dass die Empörten irgendwann auch wieder auf ihren Verstand hören müssen.
Ich weiß nicht, ob man Fällen wie dem da oben irgendwie habhaft werden kann. Möglichst, ehe irgendwem Unschuldigen etwas passiert. So richtig gut hat das ja bislang nicht geklappt. Im Gegenteil zeigen die Statistiken einen starken Anstieg derartiger Taten auf, was sicherlich mancherlei Gründe hat.
Es gab eine Zeit, da kannte man den Begriff „Kindheit“ und das, was er heute für uns verkörpert, nicht. Das ist nur ein paar Jahrhunderte her. **
Vielleicht funktionieren unsere Gehirne viel langsamer als wir es uns in dieser schnelllebigen Zeit vorstellen können, in der jährlich die Bezeichnungen für alles Mögliche wechseln und wir uns so schwer damit tun, diesen Wechsel anzunehmen.
Vielleicht stecken tief in uns drin noch die Menschen, die wir vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden waren?
*https://www.arte.tv/de/videos/RC-022923/cry-wolf/
**https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1000221406