Seit geraumer Zeit und immer mal wieder wird in den Medien das Thema hochgekocht, dass Arbeit sich nicht mehr lohnt, weil Hartz IV / Bürgergeld und Co. viel zu hoch und viel zu nah an den Mindesteinkünften liegen.
Dabei ist es doch eine Milchmädchenrechnung sich vorzustellen, was man mit einst 304,00 und nun bald 563,00 Euro sich leisten kann oder eher nicht. Auch wenn da noch Miete und Nebenkosten drauf kommen.
Ich habe es seit ein paar Jahren das erste Mal wieder getan (und werde es so bald nun nicht wieder tun) und mir eine Sendung zum Thema im Privatfernsehen angesehen.
Da spielte sich ein Reporter, der sich mal eben vor ein Jobcenter stellte und gleich zwei händeringend Mitarbeiter suchende Arbeitgeber mitgebracht hatte, als Arbeitsvermittler auf. Von 50(!) angesprochenen Personen (die er sinnvollerweise beim Hineingehen ansprach, wo alle in Eile waren, weil sie pünktlich zu ihrem Termin kommen wollten und danach auch gleich zur Arbeit mussten, denn etliche kriegen ergänzende Leistungen zum Lohn) fand er schließlich zwei, die bereit waren, sofort ein Bewerbungsgespräch zu führen und am nächsten Tag einen Probetag zu absolvieren.
Beide hatten keinerlei Berufserfahrung in den angebotenen Berufen, weswegen einer (Ausgang noch unklar) eher nicht in Arbeit kommen würde. Die Andere erhielt einen Arbeitsvertrag. (Ausgang ebenso ungewiss.)
Womit der Sender wieder einmal bewiesen hatte, dass er es besser kann als das Jobcenter.
Wirklich?
Ich meine, eine Vermittlungsquote von 0,5% ist jetzt nun nicht der große Brüller.
Die beigezogenen Politikerinnen waren wahlweise gegen (Arbeitgeber-Vertreterin) bzw. für (XY-Kommission SPD) die Anhebung des Mindestlohnes auf 15 Euro. Die Arbeitgeber-Vertreterin war allerdings lauter und die SPD-Dame nur zugeschaltet. Letztere wies außerdem darauf hin, dass die ausgewiesene Minimal-Differenz des Senders (Arbeit lohnt bei diesen empörend hohen Sozialleistungen nicht) zwischen Mindestlohn und Bürgergeld so nicht stimmt. Sie habe dazu andere Zahlen.
Aber betrachten wir uns doch mal konkret, was da passierte (und immer wieder passiert): Otto Ichhabkeineahnungvomarbeitsmarkt kommt daher und sagt, dass es doch ganz leicht ist. Hier sind die Arbeitslosen, da die Arbeitgeber, die händeringend Fachkräfte(!) suchen. Schmeißen wir das doch mal in einen Topf, rühren kräftig um und schon sind alle zufrieden. Und wer das nicht ist, muss wohl faul sein.
Eine Friseurin (wie in der Sendung geschehen) in eine Arbeit als Bäckereiverkäuferin zu bringen, mag ja noch angehen. Aber, wie versucht, einen ungelernten Ichhabschonmaltaxigefahren als Dachdecker und zur Installation von Solarzellen unterzubringen, gestaltete sich schon schwieriger. Diesen Misserfolg hat man dann auch nicht weiter ausgemalt.
Arbeitgeber haben nämlich trotz allem Mangels sehr konkrete Vorstellungen, und das zu Recht, von dem, was ihre Mitarbeiter zwingend können müssen. Und gerade im Handwerk bei übervollen Auftragsbüchern fehlt schlicht die Zeit für ausufernde Anlerntätigkeiten. Da hat man es ja selbst schneller gemacht, pflegte meine Mutter früher zu sagen.
Es hat also gute Gründe, wenn Arbeitslose und Arbeitgeber trotz beidseits guten Willens nicht zusammenkommen, die bei aller Vereinfachung gern mal übersehen werden. Und genau diese Gründe führen dazu, dass Druck auf Arbeitslose keine größeren Resultate erzeugt.
Fachkräfte sind nun mal Fachkräfte, wobei die Ansprüche, die sich hinter der Begrifflichkeit verbergen, seitens der Arbeitgeber tatsächlich geringer geworden sein mögen. Früher, also vor zehn, fünfzehn Jahren, verstand man darunter Meister und Ingenieure (und leitete aus der Erfahrung mit ihnen ab, dass Arbeitnehmer ganz gut bis 65 und 67 arbeiten können). Heute hingegen muss man womöglich nicht einmal einen Gesellenbrief oder einen Facharbeiterabschluss vorlegen; es reicht vielleicht, wenn man nachweisen kann, dass man diese Sache schon einmal „eine ganze Zeit lang“ gemacht hat.
Aber einen „ichhabschonmaltaxigefahren“ möchte keiner auf seinem Dach bei den Photovoltaikanlagen sehen. Oder?
In meiner Stadt (14000 Einwohner) haben wir 7(!) Friseure und 4 Fußpfleger, aber keinen Fischladen mehr und zwischenzeitlich gab es auch ein paar Jahre keine Kurzwaren. Fernseher und Waschmaschinen repariert man heute offenbar nicht mehr, sondern kauft sich gleich was Neues. Jedenfalls gibt es hier niemanden, der solche Reparaturen durchführen könnte, innerhalb des 30km-Radius (rechne ich die Fahrkosten zur Reparatur, kann ich mir wirklich ein neues Gerät kaufen).
Damals im Osten fanden wir, die wir bald Schulabgänger waren, die Berufsberatung oft nicht optimal. Man hatte den Eindruck, die beraten nach Bedarf, statt nach unseren Wünschen. Planwirtschaft halt.
Heute, wo alle Eltern ihre Kinder ins Gymnasium schicken wollen, damit sie beim höchsten Bildungsabschluss „Abitur“ eintragen können (egal, wie schlecht die Noten auch sind), wird den Kindern schon mit der Muttermilch eingegeben, dass es blöd ist, sich die Hände schmutzig zu machen. Obwohl es dem Einen oder Anderen vielleicht Spaß gemacht hätte, etwas mit den Händen zu tun. Egal, dass die hinterher dreckig sind. Kann man ja waschen.